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Asylpolitik Innenminister de Maizière rudert zurück

Nur ein Jahr Aufenthalt und keinen Familiennachzug - das solle für syrische Flüchtlinge gelten, hatte Thomas de Maizière erklärt. Im Kanzleramt wusste davon offenbar niemand. Kurz darauf zieht das Innenministerium die Ankündigung zurück.
Innenminister de Maizière: Die bisherige Entscheidungspraxis bleibt gültig

Innenminister de Maizière: Die bisherige Entscheidungspraxis bleibt gültig

Foto: Armando Babani/ dpa

Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge sollten den Anspruch verlieren, ihre Familien nach Deutschland nachzuholen. Außerdem sollten sie nur noch eine Aufenthaltsbewilligung über ein Jahr statt über drei Jahre erhalten - das hatte CDU-Innenminister Thomas de Maizière am Freitag verkündet.

Kurz darauf kommt die Korrektur aus dem Innenministerium: Die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe sich nicht geändert. "Alle Änderungen werden zuvor in der Koalition besprochen."

Dem Deutschlandradio hatte De Maizières gesagt: "Andere Staaten geben in solchen Lagen auch nur eine Sicherheit für einen Aufenthalt für eine begrenzte Zeit. Und das werden wir in Zukunft mit den Syrern auch tun, indem wir ihnen sagen: Ihr bekommt Schutz, aber den sogenannten subsidiären Schutz - das heißt zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug."

Bisher erhalten Flüchtlinge aus Syrien fast immer primären Schutz

Subsidiärer Schutz - das ist ein Status, der nur für Menschen gilt, die nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem Asyl-Grundrecht anerkannt werden, aber dennoch in Deutschland bleiben dürfen - weil sie glaubhaft machen können, dass ihnen in ihren Herkunftsländern ernsthafter Schaden droht. Dies traf bisher nur auf einen kleinen Kreis von Flüchtlingen zu, in diesem Jahr auf etwa 1400 Personen.

Flüchtlinge aus Syrien erhalten bisher in fast allen Fällen sogenannten primären Schutz - zumeist eine Rechtsstellung als Flüchtling nach dem Asylverfahrensgesetz und damit das Recht auf einen Aufenthalt für zunächst drei Jahre sowie auf Familiennachzug.

Im August wurden insgesamt 55.600 Asylanträge von syrischen Staatsbürgern entschieden, hatte die "FAZ" unter Berufung auf Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gemeldet. 38.650 erhielten demnach eine Rechtsstellung als Flüchtling, lediglich 53 den niedrigrangigeren subsidiären Schutz.

Überraschung im Kanzleramt

Wie das Bundesinnenministerium dazu kam, die bisherige Regelung für syrische Asylbewerber ändern zu wollen - was eine deutliche Änderung der bisherigen deutschen Flüchtlingspolitik bedeutet hätte - können wohl nur der Innenminister selbst, sein engstes Umfeld und seine Sprecher aufklären. Bis das geschieht, lässt sich über die Genese nur spekulieren.

Zu hören ist jedenfalls, dass die Ankündigung des Innenministeriums, die zunächst die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"  (FAZ) berichtet hatte, in der Bundesregierung für große Überraschung sorgte. So heißt es aus SPD-Kreisen der Koalition, dies sei mit niemandem abgesprochen gewesen - auch nicht mit dem Kanzleramt. Dort zeigte man sich dem Vernehmen nach überrascht über de Maizières Ankündigung.

Im Laufe des Abends wurde in der Bundesregierung dann offenbar eifrig hin und her telefoniert, eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Innenminister scheiterte aber zunächst offenbar, weil sich dieser noch auf dem Rückflug aus Albanien befand. Nach der Landung gelang es dann, de Maizière dazu bringen, die Ankündigung zu korrigieren.

Da der Innenminister diese zuvor in Tirana gegenüber dem "Deutschlandradio" selbst bestätigt und erläutert hatte, scheint es ausgeschlossen, dass der Vorstoß ein Versehen war. Denkbar ist dann eigentlich nur, dass der Innenminister eigenmächtig agierte - was allerdings einen Vertrauensbruch gegenüber Regierungschefin Angela Merkel und ihrem Kanzleramtschef Peter Altmaier, dem Flüchtlingskoordinator der Koalition bedeuten würde.

Oder, so eine andere mögliche Erklärung, der Innenminister wurde von der Union losgeschickt, um eine Art Testballon zu starten und die Reaktion der SPD abzuwarten. Dagegen spricht, dass de Maizière für solcherlei Spielereien nicht der Typ ist - genauso wenig die Kanzlerin.

Auch wenn man den Vorgang als Posse abtun mag - dafür ist die Lage viel zu ernst. Und Teile der Bevölkerung sind ohnehin schon verunsichert, was durch solche Zickzack-Kommunikation noch verstärkt wird.

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flo/mka