Münchner Sicherheitskonferenz:Als habe der Kalte Krieg nur Pause gemacht

51st Munich Security Conference

Der russische Außenminister Lawrow auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

(Foto: Getty Images)
  • Auf der Münchner Sicherheitskonferenz schwindet die Hoffnung auf baldigen Frieden in der Ukraine.
  • Der russische Außenminister Lawrow wiederholt bekannte Vorwürfe gegen die USA sowie Europa und sagt, die Ukraine-Krise könne erst gelöst werden, wenn es wieder eine internationale Sicherheitsordnung gebe.
  • Kanzlerin Merkel warnt eindringlich vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Militärisch sei die Krise nicht zu lösen.

Von Daniel Brössler

Sergej Lawrow hat seine eigentliche Rede schon beendet, als er zum Kern der Dinge kommt. Warum denn die Ukraine büßen solle für den Frust der Russen über die Amerikaner, ist der russische Außenminister gerade gefragt worden. Zunächst weist Lawrow den Frager zurecht, er bringe da etwas durcheinander. Manche, fährt er dann fort, würden ja glauben, der Ukraine-Konflikt müsse gelöst werden, dann werde alles wieder gut. "Es ist umgekehrt", belehrt Lawrow das Publikum. Erst müsse wieder eine internationale Sicherheitsordnung hergestellt werden, dann folge auch die Lösung für die Ukraine. Sollte noch irgendjemand im Saal Illusionen gehegt haben, dass es bald Frieden geben könnte in der Ukraine, sind sie in diesem Augenblick zerplatzt.

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist in diesem Jahr eine brutale Veranstaltung. Sie bietet keinen Raum mehr für Nettigkeiten, für diplomatische Vorsicht oder schlicht auch nur für Hoffnung. "Gloom and Doom", stöhnt ein Teilnehmer. Ratlosigkeit und Resignation, kann man das übersetzen. Waffen für die Ukraine? Ist Putin zu stoppen? Das sind die Fragen, die das Publikum spalten. Jahr für Jahr konzentriert sich die Weltpolitik für ein Wochenende auf ein paar Quadratmeter in und um ein Münchner Luxushotel. 2015 ist das auch so, nur ist es diesmal kaum auszuhalten.

Lawrow spricht für die verletzte Großmacht Russland

Sergej Lawrow kann damit gut umgehen. In einem langen Leben als Diplomat hat er es gelernt, schlechte Laune als Waffe einzusetzen. Noch schneller und unwirscher als sonst liest er seine Rede herunter, ganz so als sei ihm das vornehmlich westliche Publikum keine Viertelstunde wert. Lawrow findet immerhin die Zeit, auf einen Vorwurf zu reagieren, den in München viele erheben, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Russland steht wegen der Annexion der Krim am Pranger und wegen seiner offenkundigen Beteiligung am Krieg im Osten der Ukraine, wegen der Verletzung lange für unumstößlich gehaltener Regeln also. Kein "plötzlicher Zerfall der Weltordnung" sei zu beklagen, kontert Lawrow, sondern ihr Niedergang über 25 Jahre.

Vielleicht spricht Lawrow auch deshalb so schnell, weil er das alles schon so oft gesagt hat. Der Außenminister wiederholt seine Attacken auf die USA, führt das militärische Eingreifen in Libyen und in Irak an und erwähnt im selben Atemzug die Ost-Erweiterung der Nato. "Sie haben den Traum verfolgt, die Gewinner des Kalten Krieges zu sein", sagt er. Lawrow spricht für die verletzte, sich gedemütigt fühlende Großmacht und tut so, als seien die Europäer nur Erfüllungsgehilfen der USA. Er redet letztlich so, als sei der Kalte Krieg nie wirklich zu Ende gegangen. Und verstärkt so das Gefühl, der Kalte Krieg habe bestenfalls Pause gemacht.

Die Kanzlerin - sonst doch immer bemüht, Aufregung zu dämpfen - unterlässt jeden Versuch, die Gemüter zu beruhigen. Sie war in Moskau und davor in Kiew und hat zusammen mit dem französischen Präsidenten François Hollande offenbar nichts erreicht, was auch nur Ansätze von Optimismus rechtfertigen würde. Jeder Versuch sei es wert unternommen zu werden, sagt sie nur, das schulde man den Menschen in der Ukraine. Es gehe darum, das Minsker Abkommen mit Leben zu füllen, versichert sie noch, wiewohl zumindest ein Teil des Fachpublikums die Vereinbarung bereits für klinisch tot hält.

"Militärisch ist die Krise nicht zu lösen", wiederholt Merkel und sie richtet sich ganz direkt an einen Herrn in der ersten Reihe: an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. "Mit militärischen Mitteln ist das nicht zu gewinnen. Das ist die bittere Wahrheit." Damit ist Merkel bei einer ihrer wichtigsten Münchner Missionen. Sie wendet sich gegen Waffenlieferung an die Ukraine, nicht nur gegen deutsche, sondern überhaupt gegen westliche Waffenlieferungen, wofür sie scharf angegriffen wird, etwa vom republikanischen Senator Lindsey Graham, der ihr einen "großen Fehler" vorhält. "Das Problem ist, dass ich mir keine Situation vorstellen kann, in der eine verbesserte Ausrüstung der ukrainische Armee dazu führt, dass Präsident Putin so beeindruckt ist, dass er glaubt, militärisch zu verlieren", erklärt sie das. "Das muss ich so hart sagen", fügt sie hinzu. "Es sei denn - über das 'sei denn' möchte ich nicht sprechen."

Poroschenko hält Pässe angeblicher russischer Soldaten in die Kameras

Das "es sei denn" bleibt dort, wo Merkel es hingehängt hat - in der Luft. Die Furcht vor einem Konflikt mit der Atommacht Russland, der außer Kontrolle geraten könnte, prägt die Sicherheitskonferenz. Merkel selbst bringt ihre Erfahrung als DDR-Bürgerin ins Spiel, verweist darauf, dass die Mauer auch nicht mit Gewalt beseitigt worden sei. Wodurch sie, beabsichtigt oder nicht, das Gefühl verstärkt, der Kalte Krieg sei zurück. Der bulgarische Präsident nennt es später einen "kalten Frieden", was die Sache auch nicht wirklich besser macht.

Das alles klingt nach Schicksal, was genau das ist, worin sich der ukrainische Präsident Poroschenko nicht fügen mag. Er hat eine Handvoll russischer Pässe mitgebracht, die er in die Kameras hält. Pässe russischer Soldaten, wie er sagt, die sich in die Ukraine "verirrt" haben. Poroschenko nutzt die Sicherheitskonferenz, um daran zu erinnern, dass sich in der Ukraine die europäische Zukunft entscheidet - und für einen leidenschaftlichen Appell. "Wir sind eine unabhängige Nation. Wir haben das Recht, unser Volk zu verteidigen", sagt er. Je stärker die ukrainische Verteidigung sei, desto besser stünden auch die Chancen für eine diplomatische Lösung. Die Ukraine benötige "Verteidigungswaffen", etwa Radaranlagen gegen feindliche Artillerie. "Wir werden mit diesen Waffen niemanden töten, sondern unsere Verteidigung stärken".

Es ist eine Argumentation, der sich zumindest die Amerikaner kaum noch entziehen mögen. "Wir glauben nicht, dass es eine militärische Lösung für den Konflikt in der Ukraine gibt", sagt US-Vizepräsident Joe Biden in München. Da klingt er wie Merkel. Ein paar Sätze später sagt er: "Wir glauben auch, dass das ukrainische Volk das Recht hat, sich zu verteidigen." Da klingt er wie Poroschenko. Für die ganze Konferenz ist das ein typischer Moment. Ein Moment der Ratlosigkeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: