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Untreueverdacht: Neue Ermittlungen bei Volkswagen

Foto: Julian Stratenschulte/ picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa

Untreue-Ermittlungen bei VW Deutschlands mächtigster Arbeiterführer in Bedrängnis

Bernd Osterloh ist Betriebsratschef bei VW - und so mächtig wie kaum ein anderer Arbeitnehmervertreter. Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen seiner hohen Vergütungen. Ein Thema, das gefährlich werden könnte.
Von Wilfried Eckl-Dorna

Ruhig, fast schon handzahm gab sich Deutschlands mächtigster Arbeitnehmervertreter in den vergangenen Wochen. Im Interview mit dem manager magazin sprach Volkswagen-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh Ende März vom "ruhigen Fahrwasser", in das der Autohersteller zurückkehren sollte. Die öffentlich ausgetragene Fehde mit VW-Markenchef Herbert Diess wegen des Zukunftspakts? Das sei wie im normalen Leben, behauptete Osterloh. Wenn jemand vertragsbrüchig werde, klage die andere Partei ihr Recht ein.

Noch vor zwei Tagen, bei der Hauptversammlung des Autoriesen, saß Osterloh auf Augenhöhe mit dem gesamten VW-Konzernvorstand - und wirkte gewohnt selbstbewusst. Doch nun hat er ein Problem am Hals, das für ihn richtig gefährlich werden könnte.

VW-Personalvorstand Blessing und Vorgänger Horst Neumann im Visier

Denn seit Kurzem steht der Vorwurf im Raum, dass der 60-jährige Osterloh für seine Betriebsratstätigkeit unverhältnismäßig viel Geld kassiert haben könnte. Wie an diesem Freitag bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen vier Top-Manager von Volkswagen wegen des Anfangsverdachts auf Untreue. Zum Kreis der Untersuchten zählen VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing und sein Vorgänger Horst Neumann.

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Osterloh selbst ist von den Ermittlungen also nicht persönlich betroffen. Doch das Thema hat direkt mit ihm zu tun: Die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie ermittle "wegen des Anfangsverdachts der Untreue im Zusammenhang mit der Aufwandsentschädigung für Betriebsratstätigkeit". Wenn Manager Betriebsräten finanzielle Vorteile gewähren, könnte das rechtlich als Vermögens-Veruntreuung gesehen werden.

Der VW-Konzern selbst bestätigte, dass es zumindest auch um die Vergütungen für Osterloh geht. VW habe "vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen" die Entgeltfindung "für Bernd Osterloh auch durch einen externen juristischen Sachverständigen überprüft", teilte ein Sprecher mit. Das Gutachten kommt - wenig überraschend - zu dem Schluss, dass Osterlohs Entlohnung rechtens ist.

Es geht im Kern darum, ob die Gehälter von VW-Arbeitnehmervertretern unverhältnismäßig hoch sind, die Topmanager also ihrem Betriebsratschef Osterloh eine zu hohe Vergütung genehmigt haben. Der VW-Betriebsrat und der Konzern selbst erklärten, sich bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern an das Betriebsverfassungsgesetz zu halten.

Anzeige brachte Ermittlungen ins Rollen

Die Ermittlungen kamen aufgrund einer Anzeige ins Rollen. Und das Verfahren soll bereits seit einem halben Jahr laufen. Osterloh selbst sagte der "Braunschweiger Zeitung", sein Grundgehalt liebe bei etwa 200.000 Euro im Jahr.

Schätzungen zufolge erhält Osterloh ein Grundgehalt von 200.000 bis 250.000 Euro im Jahr. Hinzu kämen Boni, wie sie auch Mitglieder des Managements in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg erhalten. "In der Spitze lag damit mein Jahresgehalt einmal bei rund 750 000 Euro. Aktuell ist es deutlich niedriger", betonte Osterloh.

Öffentlich erklärt der VW-Betriebsrat jedenfalls, dass er "vergleichbar zu Bereichsleitern" vergütet werde. Wie hoch deren Boni im VW-Entlohnungssystem sind, lässt sich nicht so ohne Weiteres ermitteln. Doch laut Betriebsverfassungsgesetz sollen Arbeitnehmervertreter eine Bezahlung gemäß ihrer Aufstiegschancen erhalten.

Hohe sechsstellige Vergütung für den Betriebsratschef

Die Aufstiegschancen waren bei Osterloh, der seit 2005 an der Spitze des Konzernbetriebsrats steht, wohl ziemlich gut. Denn dem Arbeitnehmervertreter wurde bereits der Posten des Konzern-Personalvorstands angeboten - ein Job, der mit gut fünf Millionen Euro pro Jahr vergütet ist. Osterloh hatte diese Offerte aber nach dem Bekanntwerden der Diesel-Krise abgelehnt.

Nun kristallisiert sich heraus, dass Osterloh wohl über Jahre ein hohes sechsstelliges Gehalt bei VW bezog. Das dürfte vielen Bandarbeitern, die jährlich einen Bruchteil von Osterlohs Gesamtsalär verdienen, nicht einfach zu vermitteln sein.

Dabei hatte sich Osterloh zuletzt, wohl auch dank seiner starken internen Basis, weit aus dem Fenster gelehnt. Im Ringen um den "Zukunftspakt" für die Kernmarke VW, der mit dem Abbau von knapp 14.000 Arbeitsplätzen einhergeht, hatte er VW-Markenchef Herbert Diess wiederholt scharf attackiert.

Zwar betont der gelernte Industriekaufmann Osterloh stets, seine Rolle nicht in der eines "Co-Managers" zu sehen. Doch im Interview mit manager magazin erklärte er auch, dass die Betriebsräte die Idee für den Zukunftspakt hatten. "Wenn Dinge nicht passieren, die eigentlich gemacht werden müssten, dann spreche ich das an", sagte Osterloh.

Diskussion gefährdet VWs Ruf unter Gewerkschaftern

Formale Macht, um Veränderungen anzustoßen, hat er jedenfalls. Als Chef der Mitarbeitervertretung zählt Osterloh zu den mächtigsten Akteuren in Europas größtem Autokonzern. Er sitzt auch im Präsidium des Aufsichtsrats und kann bei größeren Veränderungen sein Veto einlegen.

Ob er in den kommenden Monaten noch weiterhin so fest im Sattel sitzen wird, muss sich zeigen. Denn eine interne Debatte über seine Vergütung dürfte ihn schwächen. Zumal sich viele im Unternehmen wohl an eine pikante Affäre aus der Vergangenheit erinnern dürften: Vor rund zehn Jahren kostete seinen Vorgänger Klaus Volkert der Skandal um sogenannte "Lustreisen" auf Firmenkosten nicht nur sein Amt. Volkert verbüßte dafür auch noch eine Gefängnisstrafe.

Von diesen Dimensionen ist die Diskussion um Osterlohs Vergütung noch weit entfernt. Doch einfach dürften die kommenden Monate für den so selbstbewussten Betriebsratsboss nicht werden. Denn seinen Leuten muss er nicht nur die Arbeitsplatzverluste im Zuge des "Zukunftspakts" erklären - auch seine eigene Vergütung muss er glaubwürdig rechtfertigen.

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