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MaltaFiles enttarnen Steuervermeider Drei deutsche Konzerne, ein Klingelknopf

Interne Dokumente belegen, dass DAX-Konzerne wie BMW, BASF und Lufthansa im großen Stil Tochtergesellschaften im Steuerparadies Malta unterhalten. Das wäre legal, wenn sie dort auch tätig wären. Doch daran gibt es Zweifel.
Jachten im Hafen vor Valetta

Jachten im Hafen vor Valetta

Foto: imago / Domenic Aquilina

Als die Nacht hereinbricht über St. Julians, der Wind ganz warm und weich, nach einem Tag im Mai, der schon die Hitze des Sommers atmete, da beginnt man auf einem Balkon über der Bucht langsam zu ahnen, warum Malta tut, was Malta so tut. Warum diese kleine Insel zum Steuerparadies geworden ist, das anderen Ländern die Einnahmen absaugt. Zu einem Paradies ohne schlechtes Gewissen, auch wenn es das Geld guter Freunde ist, der Partner aus der EU.

Über der Hafenpromenade liegt ein männliches Grundgrölen, ein weibliches Kicherkreischen, ein sachliches Bass-Bumbum. Wie sich das so anhört, wenn die geschlechtsreife Jugend Nordeuropas ihr Versprechen auf eine supergeile Partynacht einlöst. Um drei Uhr singen hohe und tiefe, rohe und schiefe Stimmen auf der Hafenpromenade, als wollten sie übers Meer Sizilien anrufen. Ohne Telefon.

In diesem Moment kann man sich schon ausmalen, was den geräderten Malteser am nächsten Arbeitstag so umtreibt: dass das nicht alles sein kann, was ihm Europa zu bieten hat, nur die trink- und triebgesteuerten Schülerhorden, die sich im Vergnügungsviertel von St. Julians mit 60 Shots für 19,90 Euro abschießen. Dass Malta, arm an Rohstoffen, aber reich an fleißigen, gewitzten Menschen, einen irgendwie moralischen Anspruch darauf hat, auch die Firmen aus dem Norden ins Land zu locken. Und mit den Firmen einen kleinen Batzen der großen Steuereinnahmen, die sonst dort oben blieben. In Frankreich, in England, im reichen Deutschland.
Ja, kann man nachts um drei alles verstehen. Warum aber größte Firmennamen der deutschen Industrie und beste Familiennamen des deutschen Mittelstandes da mitmachen, erklärt das noch nicht.

Wo ihr moralischer Anspruch bleibt. Warum BASF und BMW, K+S und Sixt, warum die Schrauben-Würths, der Tchibo-Herz und der Fernseh-Kerner, warum ein paar Tausend Namen auf einer Malta-Liste des europäischen Journalistennetzwerks EIC offenbar das letzte Quäntchen aus ihren Einnahmen herausquetschen wollen.

Briefkästen von Sixt und K+S auf Malta

Briefkästen von Sixt und K+S auf Malta

Foto: DER SPIEGEL

Warum riskieren sie dafür ihren guten Ruf und manche noch etwas mehr? Wie eine Recherche des SPIEGEL auf Malta zeigt, teilen sich sogar Weltkonzerne einen Klingelknopf mit drei anderen Firmen. Stehen mit ihren Töchtern nicht im Telefonbuch. Sind zu normalen Geschäftszeiten "leider gerade" nicht zu erreichen; gerade nicht und etwas später auch noch nicht. Hintergehen damit möglicherweise den deutschen Fiskus, dem sie im Zweifel einen laufenden Betrieb vorzeigen müssen, damit der ihre maltesische Steuerzauberei anerkennt.

Um das alles zu verstehen, muss man mit den guten Namen sprechen, den Stützen der deutschen Wirtschaft. Auch mit ein paar weniger bekannten, den Männern und Frauen, die solche Steuersparbüchsen auf Malta aufstellen. Und gerade jetzt - denn Malta hat noch bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne - muss man dazu auch maltesische Offizielle befragen. Und ihre Gegner im EU-Parlament, die sich wundern, mit welcher Chuzpe Malta sein Steuermodell in der Zeit an der Spitze der EU verteidigt.

Es wird also zu reden sein: über die Tricksereien deutscher Konzerne. Über Milliardäre, die bei ihrer Superjacht an nichts gespart haben außer an der Mehrwertsteuer, die sich bei Jachten auf Malta so schön kleinrechnen lässt. Und über maltesische Spitzenpolitiker, die es offenbar gewohnt sind, beim Geld auch erst mal an sich selbst zu denken.

Also raus aus der Nacht, zurück zum Tagesgeschäft auf Malta.

Dass die Insel mit ihren 435.000 Menschen voller Mysterien und Flüsterstoff ist, bekommen Besucher sogar schriftlich. "Maltas Geheimnisse warten darauf, entdeckt zu werden" steht auf einer Ansichtskarte, die Maltas Gäste am Flughafen geschenkt bekommen, bevor sie wieder nach Hause fliegen. Die Geheimnisse der Steuervermeidung sind vermutlich nicht gemeint, dabei gibt es gerade auf diesem Feld viel zu entdecken. Erste Adresse: St. Julians, Ross Street 7. Ein Bürohaus mit dem Namen "The Whispers", das Geflüster, wie passend. Hier saßen die Robert Bosch Holding Malta Ltd., die Robert Bosch Finance Malta Ltd. und, weil die Fantasie beim Namen offenbar nicht für mehr reichte, auch noch eine Robert Bosch IC Financing Malta Ltd.

Vergnügungsviertel in St. Julians

Vergnügungsviertel in St. Julians

Foto: picture alliance / dpa-Zentralbild

Das alles ist typisch für Malta: Das Ltd. steht für Limited, haftungsbegrenzt, das ist die beliebteste Firmenform, man findet sie auf Tausenden Postkästen, Klingelschildern, manchmal kleben ein halbes Dutzend Ltd.-Namen unter einem Briefschlitz. Eine Limited ist leicht zu gründen, mit knapp 1200 Euro Einlage. Die maltesischen Behörden protzen damit, dass sie manchmal nur 24 Stunden dafür brauchen.

Auch "Finance" oder "Holding" gehören bei Malta-Töchtern internationaler Konzerne zu den angesagtesten Vornamen vor dem Familiennamen "Ltd." Es geht schließlich um Geld - Geld, das zwischen Konzernmüttern, -töchtern und -geschwistern hin und her geschoben wird. Oft nur aus einem Grund: Am Stammsitz, etwa in Deutschland, soll weniger für die Steuer übrig bleiben; am besten treibt man dafür zu Hause die Kosten auf dem Papier nach oben. Umgekehrt sollen Gewinne in Malta landen. Zwar gilt auf Malta ein happiger Steuersatz, 35 Prozent. Aber nur auf den ersten Blick, denn der ausländische Eigentümer der Malta-Firma, also der deutsche Mutterkonzern, bekommt später bis zu 30 Prozent vom maltesischen Fiskus erstattet. Macht im besten Fall einen Steuersatz von etwas über 5 Prozent.

Das ist genug, damit sich das Geschäft für Malta lohnt - besser 5 Prozent als nichts. Und es ist grandios für die Unternehmen - 5 Prozent statt etwa 30 in Deutschland. Aber es ist grottig für das deutsche Finanzamt. Nach einer Hochrechnung der Zeitung "Malta Today" liefen allein im Jahr 2015 Konzerngewinne in Höhe von rund vier Milliarden Euro über Malta, die sonst in anderen Ländern hätten versteuert werden müssen. Gut zehnmal so viel wie noch 2006. Malta kassierte nur knapp 250 Millionen Euro ab, den Rest behielten die Konzerne.

Wie aber lassen sich Gewinne nach Malta verschieben? Dafür gibt es passende Vehikel, zum Beispiel Patente und Lizenzen. Die überträgt ein Konzern auf eine Inseltochter. Andere Firmenzweige aus Hochsteuerländern müssen dann viel Geld nach Malta überweisen, um sie zu nutzen. Oder die deutschen Konzerntöchter besorgen sich Kredite bei der Malta-Schwester und bezahlen saftige Zinsen.

Bei Bosch gibt es das alles aber nicht, weil es Bosch auf Malta nicht mehr gibt. Die Dame aus dem Maklerbüro unten im Erdgeschoss bestätigt: Ja, die waren hier, aber wohin die jetzt umgezogen sind? Merkwürdig, sagt sie, dass sie jetzt keine neue Adresse finde. Vielleicht wisse "Nadja" etwas, die Kollegin, die morgen wieder zurück sei. Die Nachfrage kann man sich sparen. Bosch hat es im Juli 2016 vorgezogen, von Malta zu verschwinden. Die Geschäftseinheiten gingen nach Deutschland und in die Niederlande, im Januar waren alle Malta-Firmen gelöscht.

Warum? Lag es daran, dass nur drei Monate zuvor die Panama-Papers hochgeploppt waren? Damals änderte sich der Blick massiv: Wer seine Gewinne über eine Billigbude in einer Steueroase durchschob, galt nicht mehr als besonders smart, sondern als besonders asozial. Der brachte schließlich deutsche Kinder um das Geld für ihre Schulen, deutsche Autofahrer um das Geld für ihre Straßen, der nutzte alle Vorteile Deutschlands, ohne dafür zahlen zu wollen. Seitdem muss sich jeder deutsche Konzern mit einer steuerfreundlichen Firma auf Malta überlegen, ob er bleibt oder geht.

Bosch schweigt dazu, warum man die Insel verlassen hat. Nur: Man halte sich an die Gesetze und die "Prinzipien guten Geschäftsgebarens"; jeder Gewinn werde in dem Land versteuert, in dem er erwirtschaftet werde. Punkt. Wie auch immer: Es wird beim Besuch deutscher Firmenableger auf Malta die Ausnahme bleiben, dass man vor einer Tür steht und feststellt, dass dem Unternehmen Malta vielleicht zu heiß geworden ist. Im Sommer wie im Winter.

Der Weg zur nächsten Adresse führt vorbei an einem historischen Torbogen mit der Inschrift "Deus nobis haec otia fecit", "Ein Gott hat uns diese Ruhe geschenkt". Glückliches kleines Malta. Dann steht man bei der Lufthansa, wo man über die Störung dieser Ruhe wenig erfreut ist. Die Lufthansa sitzt mit 17 Konzerntöchtern im Aragon-Bürohaus, darunter die Lufthansa Malta Pension Holding, die LSI Malta Pension und die DLH Malta Pension. Alles Limiteds, was sonst?

Malta-Manager Markus Pawlik hat leider gerade gar keine Zeit für Journalisten, weil er ein Meeting vorbereiten muss. Es reicht noch für fünf Minuten und die Bemerkung, dass die Lufthansa mit mehr als 500 Technikern ihre Flugzeuge auf Malta wartet, also einen richtig großen Betrieb auf der Insel hat. Aber warum müssen deshalb gleich die Pensionskasse des ganzen Konzerns und das Flugzeug-Leasing im Mittelmeer sitzen, warum nicht in Deutschland, wo doch immerhin rund 67.000 Lufthanseaten mehr arbeiten als auf Malta? Tja, er dürfe dazu ja sowieso nichts sagen, dafür gebe es die Pressestelle in Deutschland. Dort heißt es, wohin man mit einer Tochter gehe, hänge nicht nur, aber auch von steuerlichen Fragen ab. Das sei der Konzern seinen Aktionären schließlich schuldig. Natürlich sei das alles legal und dem deutschen Fiskus bekannt.

Und weiter, zum Mayfair-Haus ein paar Straßen weiter, einem Höhepunkt jeder Firmentour auf Malta. Große Namen. Kleine Büros. Ganz oben sitzt eine Jacobs Management Limited. Etwa der Kaffeeröster? Zwei Damen gucken verwirrt, als man um ein Gespräch mit Herrn Jacobs bittet. Man möge doch draußen warten, die Tür geht zu. Nach zwei Minuten kommt ein Mann heraus. Um die fünfzig, das Haar gegelt, in einer Länge, die den selbstbewussten Selfmadeunternehmer vom abhängig Beschäftigten distinguiert und gut zu Penthouse, Dachterrasse, Boot passt.

Seinen Namen nennt er nicht und will auch sonst eigentlich nicht viel sagen. Nur, dass er schon seit 2004 auf der Insel sei, seit dem EU-Beitritt Maltas, und hier deutschen Unternehmen helfe, sich aufzustellen. Alles selbstverständlich legal, verspricht er, "keine Briefkastenfirmen". Und, nein, mit der Kaffeefamilie Jacobs habe er wirklich nichts zu tun.

Stimmt. Der Mann heißt nicht Jacobs, sondern Braun, Peter Braun. Mit seinem Bruder setzt er Firmen auf Malta auf, manchmal lässt er sich auch als Chef eintragen; das ist praktisch für die Kunden. Kontrolliert wird seine Jacobs Management Ltd. von einer Jacobs Capital Ltd. Die sitzt in der Karibik, auf den British Virgin Islands, wo man sich Firmennamen wie Jacobs Capital im Tausenderpack ausdenkt. Der Mann hat also Erfahrung. Offenbar auch mit Briefkastenfirmen.

Nur eine Etage unter ihm sind vier Firmen gemeldet, bekannte deutsche Namen: die BASF mit der BASF Finance Malta GmbH. Auch zwei Limiteds aus dem Hühnerhof von Erich Wesjohann, dem Geflügelbaron; sein Bruder Paul-Heinz ist der Chef von Wiesenhof. Und Sixt, die Sixt Financial Services GmbH, die im März das "Financial" gegen das Wort "International" ausgetauscht hat. Sie teilen sich einen Klingelknopf. Merkwürdig für drei Konzerne dieser Größe. Man kann im Netz auch lange nach einer Mailadresse oder Homepage der Töchter suchen, sehr lange. Und wenn man bei der Auslandsauskunft der Telekom anruft, findet die für Sixt oder BASF beim besten Willen keine Nummer - "leider nicht eingetragen", heißt es da.

Ein Mann kommt heraus, Jeanshemd, casual wear, sonniges Malta? Er behauptet, er sei von BASF. Er sage aber nichts, man solle die Pressestelle in Deutschland anrufen. Seine Zurückhaltung ist keine Überraschung. Was Malta angeht, ist zumindest BASF berüchtigt.

Ein Gutachten der Grünen-Fraktion im EU-Parlament kam im November zu dem Schluss, dass der deutsche Chemiegigant in Europa zwischen 2010 und 2014 rund 923 Millionen Euro Steuern durch trickreiche Konstruktionen gespart habe. Auch über Malta, mit der Firma im Mayfair-Haus. Von hier würden Kredite an andere BASF-Töchter vergeben, der Klassiker. Wenn Politiker versuchten, solche Praktiken zu bremsen oder gar zu stoppen, soll BASF mit harter Lobbyarbeit dagegengehalten haben. BASF nannte den Report damals "nicht immer zutreffend"; Einzelheiten sparte sich der Konzern.

Und was ist mit Sixt, dem Autovermieter? Von denen sei keiner da, behauptet der Mann im Jeanshemd (was er später so nicht gesagt haben will). Wann wieder? Das wisse er leider auch nicht. Mit Sicherheit werde sich aber auch von Sixt auf Malta keiner äußern. Also wieder: die Pressestelle anrufen.

Ein Stockwerk tiefer, der nächste Versuch. Neben der Tür hängt ein Schild mit: zwei Limiteds von Puma, dem Sportausrüster, eine dritte Puma Ltd. steht unten auf dem Briefkasten im Treppenhaus. Zwei Limiteds von K+S, dem Rohstoffkonzern Kali und Salz, der bis zum vergangenen Jahr im Dax gelistet war. Und zwei von KSPG Automotive, der Autosparte Kolbenschmidt von Rheinmetall. Wieder gibt es nur eine Klingel für alle, aber auf der steht ein anderer Name: Jacobs. Die Firma des Herrn Braun ganz oben. Außerdem pappt da noch ein Aufkleber: "Please deliver registered mail and parcels at the 6th floor." Post nehmen die deutschen Konzerntöchter also anscheinend nicht unbedingt selbst entgegen, sondern der Herr Braun für sie.

Nach dem Klingeln öffnet eine Frau. Sagt, dass sie von K+S sei, für alles Weitere: bitte die Pressestelle anrufen. Die Büroetage hat zwei Außentüren mit Fenstern. Durch das eine sieht man drei Räume, die Innentüren stehen offen, dahinter: Glasfenster, Fliesen, sonst nichts. Komplett leer. Ein viertes Büro, das man durch die andere Tür sieht - auch leer. Immerhin, in einem Zimmer steht ein Drucker, in einem anderen ein Schreibtisch, der aber ziemlich unbenutzt wirkt. Das also sind K+S, Rheinmetall und Puma auf Malta. Wenig los für so große Namen.

Deshalb gleich noch mal die Treppe wieder hoch, zurück zu BASF und Sixt. Jetzt macht keiner mehr auf. Im Netz findet man später aber Mr Casual Wear wieder, den Mann im Jeanshemd. Er heißt Pall Arnason, hat auf Island studiert und muss ein wahrer Workaholic sein. Auf der Karriereseite LinkedIn gibt er drei Arbeitgeber und drei Jobs gleichzeitig an. Er tritt als "Executive Manager" der BASF Finance Malta GmbH auf, "seit Mai 2014". Als "Finance Manager" von K+S Finance Limited, "seit November 2015". Und, das ist jetzt die Pointe, als "Senior Manager" der Jacobs Management Limited, der Firma von Peter Braun oben im Sechsten. Ein Jacobs-Mann also, der bei BASF und K+S den Statthalter gibt?

Multimanager Arnason

Multimanager Arnason

Das stellen die deutschen Firmen im Mayfair natürlich ganz anders dar. Man teile sich keinen Mitarbeiter mit anderen im Haus, schreibt später die Pressestelle von K+S. Die Tochter sitze mit vier eigenen Leuten auf 65 Quadratmetern, voll möbliert, alles völlig korrekt, auch steuerlich. Aber ja, man sei auch wegen der Steuern mit der Finanzfirma K+S Finance Ltd. auf Malta: "Steuern sind ein wichtiger Kostenfaktor für Geschäftsentscheidungen. Auch im Interesse der Aktionäre bemüht sich K+S, diesen Kostenfaktor zu reduzieren."

Puma richtet aus, dass man zwei Firmen auf Malta gegründet habe, um an einer Regatta teilzunehmen. Wasser. Segelboot. Insel. Klingt doch plausibel. Erst auf Nachfrage bestätigt Puma die dritte Firma, die Puma Blue Sea Ltd. Die war keine Regatta-, sondern eine Finanztochter. Alle drei hätten schon Ende 2014 ihren Betrieb komplett eingestellt. Gelöscht sind aber zwei von ihnen bis heute nicht.

Kolbenschmidt antwortet knapp: Der deutsche Fiskus kenne doch die beiden Finanztöchter auf der Insel. Die hätten auch "eigene Mitarbeiter" auf Malta. BASF schafft es noch knapper, mit einem Siebenzeiler, der aber rätselhaft bleibt. Die Malta-Firma sei in Deutschland steuerpflichtig, heißt es da; gleichzeitig ist aber von Steuererstattungen auf Malta die Rede. Im Übrigen: "keine weiteren Details".

Dafür schreibt Sixt umso länger. Die Sixt-Tochter arbeite mit sechs Angestellten auf 130 Quadratmetern. Sie sei jeden Tag besetzt. Auch an den Tagen, an denen der SPIEGEL vor der Tür gestanden habe, seien "durchgängig" Mitarbeiter im Büro gewesen. Später reicht Sixt dafür noch drei eidesstattliche Versicherungen nach. Auf keinen Fall werde ein Geschäftsbetrieb nur vorgetäuscht. Offenbar muss man im Telefonbuch also nicht zu finden sein, um "internationale Führungskräfte" anzuwerben. Oder um Franchisepartner zu überwachen. Oder um, mal wieder ganz typisch, Konzernzweige mit Geld zu versorgen - drei von mehreren Aufgaben der Malta-Tochter, laut Handelsregister zumindest.

Eine Firma des Geflügelzüchters Wesjohann auf Malta hat aber sogar eine Nummer im Telefonbuch. Ein Mann nimmt ab, genervt davon, dass einer an einem Nachmittag dreimal versucht, die putzige kleine Limited mit ihren beschaulichen 145 Millionen Euro Vermögen zu erreichen. Er sei "abroad", also gerade weit weg, weitere Anrufe solle man sich sparen. Klingt so, als wäre das Büro auf Malta dünn besetzt. Später kommt ein Schreiben aus Visbek, Niedersachsen, aus der Zentrale: vier Zeilen auf 13 Fragen. Der deutsche Fiskus wisse Bescheid, eine ganz legale Sache, das mit den Malta-Firmen. Mit freundlichen Grüßen.

Bleibt noch Peter Braun, der Spezialist für deutsche Firmen auf Malta, oben im sechsten Stock. Gut, er nehme schon mal größere Briefe oder Pakete für K+S an, aber nur im Ausnahmefall, damit nichts im Flur liegen bleibe. Und die leeren Büros unten? Auf der Etage von K+S seien wohl tatsächlich gerade ein paar Räume nicht genutzt; die wolle der Eigentümer neu vermieten. Mit K+S habe er, Braun, aber nichts zu tun. Und wer da angeblich für wen arbeite - etwa der Herr Arnason, der doch für ihn und für K+S arbeiten will - davon wisse er nichts.

Das Geschäftsleben auf Malta ist offenbar bunt, trotzdem muss schon einiges passieren, bevor es einem Politiker aus dem hohen Norden doch zu bunt wird. Eine bevorstehende Wahlpleite zum Beispiel. Am Mittwoch vergangener Woche knöpfte sich NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) Malta tatsächlich mal in einer Pressekonferenz vor, als hätte die Insel der Bundesrepublik Deutschland gerade den Krieg erklärt. Und Nordrhein-Westfalen umgekehrt die sofortige Mobilmachung. An Rhein und Ruhr lief noch der Wahlkampf, es lief nicht mehr gut für die SPD. Walter-Borjans prahlte mit einem Datensatz von 70.000 Malta-Firmen, der ihm zugespielt worden sei - allem Anschein nach derselbe, der auch dem EIC-Netzwerk und dem SPIEGEL vorliegt. Er nannte Malta das "Panama Europas"; rund 2000 Firmen hätten mit deutschen Steuerzahlern zu tun. Gekannt habe man vorher nur rund 260. Es klang nach einer bevorstehenden Entscheidungsschlacht im Kampf um Steuergerechtigkeit. Walter-Borjans bekam dafür die Schlagzeilen, die er wollte.

NRW-Finanzminister Walter-Borjans

NRW-Finanzminister Walter-Borjans

Foto: Jan-Philipp Strobel/ dpa

Ein NRW-Steuerfahnder, der die Daten kennt, klagt schon seit Jahren über Malta. "Wenn ich Malta lese, geht bei mir eine rote Lampe an." Doch einfach wird es auch jetzt nicht, mit der neuen Namensliste: "Nach maltesischem Recht ist das meist legal. Malta lebt von dem System. Dass sie andere Länder damit schädigen, nehmen die Malteser in Kauf."

In jedem Einzelfall muss nun vor allem eine Frage geklärt werden: Haben die Firmen auf Malta Substanz, haben sie Büros, Mitarbeiter, Vorstandstreffen, operative Geschäfte? Oder verstecken sie nur ein Steuermodell hinter einer Scheinadresse? So wie das im Mayfair-Haus der Fall sein könnte. Dann nämlich darf der deutsche Fiskus die Einnahmen auf Malta den deutschen Konzernmüttern zurechnen und abkassieren.

"Das Malta-System ist natürlich genau darauf angelegt, Firmen ohne Substanz anzuziehen", sagt Matthew Vella, der sich als Journalist der Zeitung "Malta Today" mit solchen Sätzen viele Feinde auf dem Eiland gemacht hat. Aber Kenneth Farrugia, Cheflobbyist der maltesischen Finanzbranche, gibt sich da ganz gelassen: "Wenn Deutschland denkt, da wäre zu wenig Substanz in Malta-Firmen, dann würde der deutsche Fiskus denen ja das Licht ausblasen. Aber das passiert nicht."

Auch nicht bei der Lindsell Finance Ltd., einer Firma, die seit Februar 2008 der Deutschen Bank gehört und im Mercury Tower in St. Julians sitzt, Level 2 West. Wenn man sich im Haus nach der Lindsell erkundigt, heißt es, die sei hier gemeldet, habe aber kein Büro. Die Deutsche Bank druckst später herum; die Firma habe man nur für einen Kunden eingerichtet. Inzwischen werde sie, wie zwei weitere Malta-Töchter, abgewickelt.

So gesehen ist es schon ein ziemlich fairer Zug gegenüber dem deutschen Fiskus, dass sich der Autokonzern BMW wenigstens auf gut 200 Quadratmeter eingemietet hat. Mit ein paar BMW-Plakaten an der Wand. Unter denen geschätzt ein halbes Dutzend Mitarbeiter sitzt, die tatsächlich nach Businessleuten aussehen. Einer von ihnen, der sich als "James" vorstellt, bittet in den Besprechungsraum. Er beginnt damit, dass drei BMW-Töchter auf Malta sitzen, und will gerade sagen, wie sie heißen, was sie machen, auch eine mit "Finance" ist mal wieder dabei.

Dann stockt er, fragt noch mal, warum man das jetzt wissen wolle, "äh, und woher genau kommen Sie noch mal? Hm, einen Moment". Er verlässt den Raum, ruft wahrscheinlich irgendwo an, die Wetten stehen 1:2, dass seine ersten Worte nach der Rückkehr "Unfortunately", "I'm afraid" oder "Sorry" sein werden. Der Sieg geht an "Unfortunately". James stammelt noch etwas von "confidentiality reasons", Geheimhaltungsgründen, dann ist man auf dem Weg nach draußen.

Die Pressestelle in München nennt später gleich fünf Gründe, warum die Finanztochter BMW Malta Finance hier sitzt; gutes Personal, politische Stabilität und so weiter. Nur niedrige Steuern tauchen in der Aufzählung nirgendwo auf. Man halte sich natürlich an Gesetze und bekenne sich zu seiner "gesellschaftlichen Verantwortung".

Man kann ganze Tage so auf Malta verbringen: Klingeln, "Wir sagen nichts", Pressestelle. Alles gut. Oder man macht die Bekanntschaft des Herrn von der Osiris Corporate Services Limited. Wie er heißt, will er auch nicht verraten, "sehen Sie doch im Handelsregister nach", sagt er im besten Oxford-Singsang, "da steht alles". Genau. Stuart Peter Blackburn, Engländer, 70. Aber ansonsten lässt er wenige Fragen offen.

Hinter seiner Tür sitzen Malta-Ableger europäischer Konzerne. Je mehr man ihn fragt, wie das denn meist so läuft, umso mehr bekommt seine Stimme diesen Unterton, den man wohl am besten mit "Wie naiv sind Sie eigentlich?" übersetzt. Bei ihm, sagt Blackburn, arbeite natürlich keiner von diesen Konzernen, "das hier ist nur die Adresse. Eine Firma muss doch eine Adresse auf Malta haben, das ist Vorschrift, und an die halte ich mich". Ob er das richtig so finde? "Die Regeln muss ich nicht beurteilen, das ist alles legal."

Also liefert er eine Anschrift, so wie das Hunderte andere in seinem Gewerbe auf Malta auch tun. Etwa jene junge Frau, Mitarbeiterin einer anderen Kanzlei, die vergangene Woche Besuch von einem "Frontal21"-Reporter bekam, der sehr interessiert tat, eine Firma zu gründen. Sie versprach augenzwinkernd, sie könne ihm dafür das komplette Malta-Paket liefern, Adresse, Personal, alles, was nach richtiger Firma aussieht. "Hier sind viele wie ich, sehr viele", sagt Blackburn, der Engländer. Für weitere Fragen: "Sehen Sie ins Firmenregister", das sei ja alles gar nicht geheim auf Malta.

Das Register liegt neben der maltesischen Finanzaufsicht MFSA an einer Ausfallstraße ins Landesinnere, und für 20 Euro pro Firma bekommt man tatsächlich Informationen. In diesem Fall über einen deutschen Fernsehstar, Johannes B. Kerner und seine Cloverleaf Yachting Ltd. Eingetragen am 11. April 2016, Geschäftszweck: Kauf, Betrieb, Verleih, Bau und noch einiges mehr, was mit "Schiffen jeder Art" zu tun hat.

Moderator Kerner

Moderator Kerner

Foto: Caroline Seidel/ dpa

Hauptgesellschafter ist Kerner - soweit aus der Firmenakte ersichtlich bis heute. Auch Direktor war der Moderator anfangs noch; den Posten gab er aber zum 1. Januar 2017 auf. Stattdessen übernahm eine Frau, die auf Malta dieselbe Adresse hat wie der deutsche Anwalt Jörg Werner. Werner hat die Firma für Kerner aufgesetzt.

Warum? "Wir geben keine Interviews", heißt es, dafür redet Werner auf seiner Homepage recht unverblümt: "Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist die Beratung internationaler Klienten zur Reduzierung ihrer Steuerlast, insbesondere durch die Nutzung von maltesischen Standortvorteilen." Als Kerner vor ein paar Monaten schon mal nach der Cloverleaf Yachting gefragt wurde, wollte er nichts sagen. Privatsache, angeblich. So, wie das vermutlich jeder Deutsche sehen möchte, der eine Malta-Firma hat.

Es gibt zumindest ein paar naheliegende Gründe, nach Malta zu gehen, wenn die Firma das Wort "Yachting" im Namen trägt. Malta hat nicht nur das größte Schiffsregister Europas. Vor allem Jachtbesitzer lockt der EU-Zwerg mit Sonderangeboten - bei der Mehrwertsteuer. Die liegt im Prinzip bei 18 Prozent, aber je länger das Boot, umso billiger machen es die Malteser. Begründung: Große Boote seien meist in internationalen Gewässern unterwegs und für diese Zeit nicht steuerpflichtig. Bei 23 Meter schwimmendem Luxus, um nur ein Beispiel zu nennen, sinkt der Steuersatz für Reiche, die sich so etwas leisten können, auf 7,2 Prozent. Aber auch bei einem Elf-Meter-Segler spart man sich schon die halbe Steuer. Kein Wunder also, dass die Zahl der Superjachten - das sind die ab 24 Meter Länge - 2015 auf Malta um fast elf Prozent gestiegen ist.

Hat Kerner die Firma für eine Jacht und ein Steuerschnäppchen gegründet? Warum also Malta, Herr Kerner? Ging es wirklich um ein Schiff? Obwohl Kerner doch bisher nie als Skipper aufgefallen ist? Alles legal, alles privat, mehr sage man dazu nicht.

Andere können sich nicht so leicht verstecken, dazu sind ihre Jachten zu groß. Tchibo-Erbe Günter Herz, der Schrauben-Clan Würth und der Prothesenhersteller Hans Georg Näder (Otto Bock) stehen mit ihren Megaschiffen im maltesischen Handelsregister. Die Würths antworten dazu nicht auf SPIEGEL-Fragen. Näder spricht von einem "gängigen Finanzierungsleasing", legal, transparent, den deutschen Behörden bekannt. Herz sagt, er habe die fällige Mehrwertsteuer gezahlt, auf Malta. Ansonsten: siehe Näder. Alles kein Problem.

Malta-Investorin Bettina Würth

Malta-Investorin Bettina Würth

Foto: Norbert Guthier

Die reichsten Deutschen, denen die Jacht gar nicht lang genug sein kann - die der Würths zum Beispiel ist 85 Meter, Kaufpreis: 141 Millionen Euro - sie werden also knauserig, wenn sie etwas an den deutschen Staat abgeben sollen? Das Land, in dem sie sehr viele ihrer Millionen verdient haben? So anrüchig das wirken mag, in den meisten Fällen sind die Malta-Konstruktionen deutscher Firmen und Unternehmer legal. Nicht nur, weil Malta seine Gesetze eben so, ebendrum gemacht hat. Sondern auch, weil Brüssel und auch Berlin solche Gesetze duldeten und Malta im politischen Geben und Nehmen damit durchkommen ließen. Zur Beschuldigung Maltas gehört daher auch immer das politische Verschulden der anderen. Dass deutsche Politiker das Problem natürlich kannten. Sich ärgerten. Aber resignierten.

Malta, die Felsinsel, ist nämlich ein harter Brocken, auch politisch. Ob gerade die Sozialisten oder die Konservativen regieren, in einem Punkt ist das egal: Ihr Paradies der niedrigen Steuersätze wollen beide Parteien erhalten. Dafür wird die Wahrheit gebogen, wird vertuscht, wird abgestritten. Finanzminister Edward Scicluna etwa behauptete neulich beim Besuch des Panama-Untersuchungsausschusses aus Brüssel allen Ernstes, dass Malta kein Steuerparadies sei. So einfach sei das doch gar nicht mit dem Steuersatz von fünf Prozent.

Regierungschef Joseph Muscat lässt sich gern damit zitieren, dass Steuersätze allein Sache eines Landes seien und Malta weiter die Hoheit darüber behalten werde. Auch über die ganz niedrigen. Gut für Malta, dass Steuerfragen in der EU einstimmig entschieden werden müssen, ein Prinzip, das Malta eisenhart verteidigt - mit der Folge, dass Wirtschaftsminister Christian Cardona den boomenden Finanzsektor auf Malta bejubeln kann und das "attraktive Steuerumfeld für Firmen".

Daran soll sich nichts ändern, im Gegenteil: "Malta möchte jetzt weitere ausländische Unternehmen anziehen, die ihre regionale oder globale Finanzmitteldisposition zentralisieren möchten", heißt es in einer Imagebroschüre, geschrieben auf Deutsch. In dem Heft fehlt natürlich auch nicht das ewige Mantra Maltas, dass die EU und die OECD das maltesische Steuersystem "gebilligt" haben. So zeigt sich Malta eifrig als Vorzeigeland Europas, glücklich, in der EU zu sein. Und verteidigt noch viel eifriger seine Piratenprivilegien. Mit allen Klauen.

Beispiele gefällig?

Schon bevor Malta im Januar stolz die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, hatte FinanceMalta, die halbstaatliche Lobby für den Finanzsektor, in einem Investorenhandbuch klargemacht, wofür das gut war: Das gebe dem Land die Möglichkeit, Schlüsselentscheidungen der EU zu beeinflussen. Auch an der "Steuerfront", wo Malta "seine Stellung halten" werde.

Im April legten die Malteser bei einem EU-Finanzministertreffen tatsächlich ein Diskussionspapier vor. Nach dem Panama-Schock empfahlen sie, Gesetze nur ganz behutsam zu ändern. Alles andere verunsichere Unternehmen und schade Europa im Wettbewerb mit Weltgegenden, die das mit dem Kampf gegen die Steuerflucht nicht ganz so ernst nähmen.

Besonders der Panama-Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments kämpft schwer mit Malta. Mitte Juni soll Ministerpräsident Muscat vor dem Gremium erscheinen - ob er kommt, ist unklar. Im Januar hatte Finanzminister Scicluna geschwänzt. Als der Ausschuss im Februar selbst eine Delegation nach Malta schickte, konterte der Minister die Frage, warum so viele maltesische Berater in den Panama-Papers auftauchten, verblüffend nassforsch: Es sei doch nicht illegal, Ratschläge zu geben.

Maltesischer Premier Muscat mit Ehefrau Michelle

Maltesischer Premier Muscat mit Ehefrau Michelle

Foto: Matt Cardy / Pool/ picture alliance / dpa

Vielleicht war es aber auch nicht ganz legal, womit seine Regierungskollegen erwischt wurden: Durch die Panama-Papers waren gleich zwei Spitzenpolitiker mit Briefkastenfirmen aufgeflogen, der damalige Energieminister Konrad Mizzi und Keith Schembri, die rechte Hand des Premiers. Mizzi hatte eine Stiftung in Neuseeland, angeblich alles ganz sauber, erklärte er dem EU-Ausschuss. Schembri sagte Minuten vor einem Treffen mit der Brüsseler Delegation ab; die Parlamentarier hätten kein Recht, ihn zu befragen.

"Malta blockiert den Ausschuss", klagt Fabio De Masi, der für die Linken im Ausschuss sitzt. Sein Grünen-Kollege Sven Giegold spricht von einer "Frechheit", wie Malta sich querlege, damit sich wenig bewege. Einen Fragenkatalog, den der Ausschuss an die 28 EU-Staaten verschickt hatte, ließ Malta bis heute unbeantwortet.

Das alles könnte aber nur ein Vorglühen für den größten Politskandal in der Geschichte Maltas sein. Vor drei Wochen hat Premier Muscat überraschend Neuwahlen angekündigt, für den 3. Juni. Auslöser: Berichte, dass seine Frau Michelle angeblich über eine Panama-Briefkastenfirma verfügte, an die mehr als eine Million Dollar als Kredit geflossen sein sollen. Absender soll Leila Alijewa gewesen sein, die Tochter des aserbaidschanischen Staatschefs.

Das wäre geradezu bizarr: Eines der Hauptprojekte auch während der maltesischen EU-Präsidentschaft war eine strengere Geldwäscherichtlinie. Unter der Hand heißt es, hier gehe Malta voran, damit im Gegenzug das Steuersystem sakrosankt bleibe. Und nun wird ausgerechnet Muscats Frau neben Korruption auch Geldwäsche nachgesagt.

Das Ehepaar weist die Vorwürfe empört als Erfindung einer dubiosen Quelle zurück. Die Opposition vermutet dagegen, dass Muscat bestochen wurde. Immerhin waren der Premier, seine rechte Hand Schembri und der damalige Energieminister Mizzi ohne Fachbeamte nach Aserbaidschan geflogen und mit einem Deal nach Hause gekommen. Der verpflichtet Malta, 18 Jahre lang Flüssiggas abzunehmen. Der Preis gilt als Staatsgeheimnis, das heizt Spekulationen an.

Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, doch selbst wenn an den Vorwürfen nichts dran sein sollte, bleiben noch genug Gründe, Malta und seinen Politikern zu misstrauen. Warum aber machen die führenden Industrienationen der EU, allen voran Deutschland, nicht so viel politischen Druck auf den Winzling, dass Malta in Steuerfragen endlich klein beigibt? Weil sie das selbst nicht wollen, glaubt De Masi, nicht um jeden Preis zumindest. "Das ist wie bei einem Mafiadinner, alle haben die Waffe unter dem Tisch in der Hand, wenn einer schießt, schießen alle."

Nicht nur Malta habe etwas zu verlieren, so De Masi. Die großen Länder wollten ihre Konzerne schützen, die vom Steuerwettbewerb profitierten. Die deshalb Druck auf die Politik machten, um weiter Steuern sparen zu können, in der EU, nicht auf einer Offshore-Insel am Ende der Welt. Außerdem habe man mit dem Brexit gerade doch genug Stress in Europa, und von irgendwas müsse ja auch das arme, kleine Malta leben - das seien dann so die passenden Argumente zum verbreiteten Schulterzucken.

Deshalb dürfte im Mayfair-Haus so schnell kein Steuerfahnder einrücken, um die Substanz zu testen, bei Firmen wie BASF, Sixt oder K+S. Stattdessen muss man sich an einem Morgen im Mai mit dem Postbotentest begnügen. Kurz nach zehn Uhr springt der Briefträger von seinem Roller, rennt zu der Batterie von Briefkästen im Eingang und verteilt einen Packen Umschläge. Zwei oder drei für K+S, immerhin. Keiner für den Kasten von BASF, keiner für den von Rheinmetall. Auch keiner für Sixt, für einen der sechs Sixt-Angestellten, die doch oben im fünften Stock sitzen sollen.

Übrigens: Im Handelsregister steht als Geschäftsführer der Sixt International Services auf Malta ein Herr Braun. Peter Braun. Sechster Stock.

SPIEGEL-Mitarbeiter Christoph Henrichs erzählt im Video, wie er zusammen mit SPIEGEL-Redakteur Jürgen Dahlkamp auf Malta den Steuertricksern hinterherrecherchierte - und er erklärt, warum Malta gerade so einen Boom erlebt.

DER SPIEGEL