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Todesfall Khashoggi Merkel und Maas reichen Erklärungen aus Riad nicht

Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas verlangen im Fall Khashoggi weitere Aufklärung von Saudi-Arabien über den gewaltsamen Tod des Regimekritikers. Der Sozialdemokrat stellte künftige Waffenlieferungen nach Riad infrage.
Angela Merkel und Heiko Maas (Archivbild)

Angela Merkel und Heiko Maas (Archivbild)

Foto: Michael Sohn/ AP

Die Bundesregierung hat sich zur saudi-arabischen Bestätigung des gewaltsamen Todes von Jamal Khashoggi geäußert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) teilten mit, sie hätten die Erklärung mit großer Betroffenheit aufgenommen. Die Tat verurteilten sie scharf.

Auf massiven Druck hin hatte Saudi-Arabien die Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat eingeräumt. Die staatliche Nachrichtenagentur SPA veröffentlichte eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, wonach es zwischen Khashoggi und mehreren Personen im Istanbuler Konsulat zu einer tödlichen Schlägerei gekommen sei.

"Fall auf saudi-arabischem Hoheitsgebiet"

Später zitierte die Agentur SPA ein Statement des saudi-arabischen Justizministers, in dem er betonte, der Fall Khashoggi habe sich auf saudi-arabischem Hoheitsgebiet abgespielt. Deshalb würden sich die saudi-arabischen Gerichte damit befassen, wenn alle Ermittlungen vollständig seien, hieß es am frühen Samstagabend.

Merkel und Maas nennen die "vorliegenden Angaben zu den Abläufen" im saudi-arabischen Konsulat "nicht ausreichend". Deutschland erwarte von Saudi-Arabien "Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe". Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

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Die Nachrichtenagentur SPA hatte berichtet, 18 saudi-arabische Staatsangehörige seien festgenommen worden, zudem seien zwei Berater des Kronprinzen Mohammed bin Salman entlassen worden: der Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed Asiri, sowie der für Medienangelegenheiten zuständige Saud Al-Qahtani. Die Ermittlungen zu der "bedauerlichen und schmerzhaften" Entwicklung liefen, hieß es weiter.

Bundeskanzlerin Merkel hatte beim Landesparteitag der Thüringer CDU in Leinefelde-Worbis am Samstag von schrecklichen Vorkommnissen gesprochen, "wo immer noch nichts aufgeklärt ist und wo wir natürlich aufklären müssen". Laut türkischen Medienberichten, die sich auf Audioaufnahmen aus dem Konsulat stützen, wurde Khashoggi gefoltert, getötet und sein Leichnam zerstückelt.

Debatte um deutsche Rüstungsexporte

In Deutschland fordern mehrere Politiker, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu überprüfen. "Nach so einem unfassbaren Vorgang gehört das deutsche Verhältnis zu Saudi-Arabien auf den Prüfstand", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. "Dazu gehören auch Rüstungsexporte." Es gebe die Verabredung in der Koalition mit CDU/CSU, Exportrichtlinien restriktiver zu gestalten. Das müsse Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angehen.

Allerdings hatte SPD-Außenminister Maas zuletzt einen kritischeren Kurs seines Vorgängers Sigmar Gabriel (SPD) gegenüber Saudi-Arabien korrigiert. Gabriel hatte der Führung der ölreichen Monarchie vor knapp einem Jahr "Abenteurertum" im Nahen Osten vorgeworfen, woraufhin Riad seinen Botschafter aus Berlin abzog. Dieser kehrte erst vor wenigen Tagen zurück, nachdem Maas Bedauern über "Missverständnisse" geäußert hatte.

Saudi-Arabien ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie: Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro. Die Grünen fordern einen Stopp der Waffenexporte nach Saudi-Arabien.

Die Bundesregierung müsse "die strategische Partnerschaft mit Riad beenden und die Rüstungsexporte einstellen", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. "Es ist kaum auszuhalten, für wie dumm das saudische Königshaus die Weltöffentlichkeit hält", sagte er mit Blick auf die offiziellen Angaben zur Todesursache.

Auch Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, fordert einen umgehenden Stopp aller deutschen Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien. Das sagte er der "Welt" .

Maas: "Keine Grundlage für positive Entscheidungen"

Am Abend reagierte Außenminister Maas auf die Forderungen nach einer Einstellung der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien: "Ich glaube, solange diese Untersuchungen andauern, solange wir nicht wissen, was da geschehen ist, gibt es keine Grundlage, auf der positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind", sagte er in einem Interview für die ARD-"Tagesthemen".

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff forderte, die saudi-arabischen Botschafter in allen westlichen Staaten einzubestellen. "In einem Konsulat soll den Menschen geholfen werden", sagte der Außenpolitiker der dpa. "Das ist ein schwerer Angriff auf die Integrität der diplomatischen Arbeit."

Zudem forderte Lambsdorff einen Boykott deutscher Unternehmen der Investorenkonferenz nächste Woche in Riad. "Siemens ist einer der Hauptsponsoren", sagte er. Vorstandschef Joe Kaeser steht massiv in der Kritik, weil er anders als etwa IWF-Chefin Christine Lagarde die Teilnahme bisher nicht abgesagt hat. Die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" forderte Kaeser in den Zeitungen der Funke Mediengruppe zum Verzicht auf die Teilnahme auf.

feb/dpa/Reuters/AFP