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Fehlende Auskunft der USA Generalbundesanwalt stellt Ermittlungen zu abgehörtem Merkel-Handy ein

Der Generalbundesanwalt beendet die Ermittlungen zur Überwachung von Angela Merkels Handy. Zwar liegen starke Indizien vor - aber die USA wollten bei der Aufklärung einfach nicht helfen.
Kanzlerin Merkel mit Handy: Offenbar hörte die NSA sie ab

Kanzlerin Merkel mit Handy: Offenbar hörte die NSA sie ab

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Der Behörde von Generalbundesanwalt (GBA) Harald Range ist es nicht gelungen, die Hintergründe über den Spähangriff auf das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufzuklären. Sie stelle ihre Ermittlungen nun ein, weil sich "der Vorwurf mit den Mitteln des Strafprozessrechts nicht gerichtsfest beweisen lässt", so der GBA. Die Entscheidung kommt nicht überraschend. Range hatte die Ermittlungschancen schon bei seiner Jahrespressekonferenz im Dezember äußerst skeptisch bewertet.

DER SPIEGEL hatte im Oktober 2013 basierend auf einem Datenbankauszug aus Beständen der NSA und weiteren Recherchen über den Vorgang berichtet. Die Kanzlerin hatte sich am selben Tag telefonisch bei US-Präsident Barack Obama beschwert. Sein Stab hatte verlauten lassen, Merkel werde aktuell nicht überwacht und auch in Zukunft nicht überwacht werden. Zur Vergangenheit wollte sich auch auf wiederholte Nachfragen in den USA niemand offiziell äußern.

Informell und inoffiziell wurde der Sachverhalt seitdem verschiedentlich eingeräumt. Der ehemalige NSA-Chef Michael Hayden beispielsweise erklärte im SPIEGEL-Gespräch, er sei nicht bereit, sich für den Vorgang an sich zu entschuldigen - wohl aber dafür, dass dieser publik geworden sei.

Für die ermittelten Bundesanwälte waren derlei Aussagen und Nicht-Dementis nicht genug. Vage Aussagen aus den USA "reichen für eine Beschreibung des Tatgeschehens nicht aus". Direkte Amtshilfe aus den Vereinigten Staaten erhielt die Behörde ebenso wenig wie der in Berlin tagende NSA-Untersuchungsausschuss.

Insofern stützte sich die Karlsruher Behörde bei ihren Ermittlungen im Wesentlichen auf den Datenbankauszug als materiellen Beweis - und zwar auf die Bestandteile, die veröffentlicht worden waren: "Das Dokument im Original zu beschaffen ist nicht gelungen." Nach den Erkenntnissen der Ermittler handle es sich dabei "nicht um einen authentischen Abhörauftrag der NSA oder eines anderen US-amerikanischen Nachrichtendienstes", sondern um eine "Abschrift eines in Augenschein genommenen Dokuments der NSA".

Missverständnisse auf Range-PK

Als der GBA dies auf seiner Jahrespressekonferenz im Dezember erstmals äußerte, war es zu Missverständnissen gekommen - denn er hatte den Eindruck erweckt, DER SPIEGEL habe in seiner Berichterstattung anderes behauptet. Dem ist nicht so. Anders als andere deutsche Medien wie "FAS" und "Bild am Sonntag" hat das Magazin seine Abschrift deshalb auch nie im Faksimile gedruckt.

Auf der Grundlage der Untersuchung dieser Auszüge sei "eine den Anforderungen der Strafprozessordnung genügende Bewertung nicht möglich", begründet die Karlsruher Behörde nun die Einstellung des Verfahrens.

"Auch der Inhalt des Dokuments beweist nicht, dass das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise seit dem Jahr 2002 abgehört worden ist." Zudem ließen die Angaben aus dem Dokument "verschiedene Interpretationen zu". Keine von ihnen lasse sich "mit dem Beginn der ersten Amtszeit der Bundeskanzlerin am 22.11.2005 sowie mit der als Anschlussinhaberin ermittelten Bundesgeschäftsstelle der CDU in Einklang bringen".

Dies bedeutet im Umkehrschluss natürlich nicht, dass es die Überwachung nicht gegeben habe. "Wir müssen aber stimmig nachweisen können, wer wann was wie gemacht hat. Das ist uns nicht gelungen", so die Sprecherin der Bundesanwaltschaft gegenüber dem SPIEGEL.

"Keine gerichtsfesten Beweise"

Es müsse nach Ansicht der Bundesanwälte "daher eine Vermutung bleiben", dass es sich bei den Angaben um "technische Zielparameter" für die Überwachung von Merkels Handy handele. Auch die Berichterstattung hätte "keine gerichtsfesten Beweise" für eine Überwachung ergeben.

Auch weitergehende Indizien, die der SPIEGEL in den Snowden-Materialen recherchieren konnte, etwa eine Liste zu überwachender Staatschefs, auf der auch Angela Merkel namentlich genannt war, fällt für die Bundesanwälte offenbar in diese Kategorie.

Die Generalbundesanwaltschaft analysierte den Vorgang und die vorliegenden Hinweise nicht allein, sondern hatte um Amtshilfe bei weiteren Behörden gebeten und technische Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes, der Bundespolizei, des Verfassungsschutzes und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik eingeholt.

Offenbar würde sich die Karlsruher Behörde nicht einmal von einer - aktuell nicht zur Debatte stehenden - Einvernahme des NSA-Whistleblowers Edward Snowden versprechen, in der Sache weiterzukommen: Bisher bekannte Äußerungen von Snowden lieferten "keine Hinweise dafür, dass er über eigene Kenntnisse verfügt".

Die Bundesanwaltschaft hatte sich - im Wissen um die politische Brisanz des Themas und der offenkundigen Schwierigkeiten - schon schwergetan, überhaupt Ermittlungen einzuleiten. Insofern hört man zwischen den Zeilen fast eine Erleichterung, wenn sie zur Einstellung des ungeliebten Verfahrens nun schreibt: "Weitere Beweiserhebungen versprechen keinen Erfolg."

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