Zum Inhalt springen

Fair-Food-Initiative Schweizer stimmen über gute Lebensmittel ab

Die Schweizer entscheiden über die Fair-Food-Initiative, nach der Standards für nachhaltige, ökologische und fair produzierte Lebensmittel in die Verfassung des Landes geschrieben werden sollen. Was steckt hinter dem Vorschlag?
Von Felix Wellisch
Foto: Gabriele Putzu/ dpa

Gute Lebensmittel, fair produziert und ressourcenschonend - wer würde da Nein sagen? So dachten vier von fünf Schweizern Anfang August, als sie gefragt wurden, ob sie im September der Fair-Food-Initiative zustimmen würden. Inzwischen hat sich die Stimmung geändert. Die jüngsten Umfragen  zeigten nur noch einen minimalen Vorsprung für das Ja-Lager. Die Entscheidung am Sonntag könnte sehr knapp werden.

Worum geht es?

Für Maya Graf, Nationalrätin der Schweizer Grünen und Initiatorin der Fair-Food-Initiative, ist die Situation klar: "Wir können uns in Zukunft gar nichts anderes leisten, als faire Lebensmittel, denn mit unserer jetzigen Art, Nahrung zu produzieren, zerstören wir unsere Lebensgrundlage." 2014 hat sie mit der Grünen Partei Schweiz die Initiative ins Leben gerufen. Die Schweiz habe bereits erfolgreiche Bio- und Fair-Trade-Labels, mit denen sie die Qualität einzelner Produkte garantieren könne. "Jetzt brauchen wir einen Verfassungsartikel, der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanreize für das ganze Lebensmittelangebot umfasst."

Der Initiativtext (hier geht's zur Website ) verpflichtet den Staat, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu fördern, die "umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt werden." Das gilt explizit auch für Lebensmittel, die nicht in der Schweiz produziert wurden sowie für verarbeitete Lebensmittel. Langfristig müssten dann alle Inhaltsstoffe von Gummibärchen und Tiefkühlpizzen sowie deren Verarbeitung Schweizer Standards entsprechen.

Was sagen die Gegner?

Teuer, kontraproduktiv und kaum umsetzbar sei der Vorschlag, sagen die Kritiker, die offenbar Gehör finden. Inzwischen sind die Zustimmungswerte für die Initiative eingebrochen, von anfangs fast 80 Prozent auf knapp über 50.

Das liegt vor allem an den vielen Unbekannten, die die Initiative mit sich bringt. Könnte die Initiative Produkte teurer machen oder gar ganz aus den Schweizer Supermarktregalen verschwinden lassen? Sind die Maßnahmen bürokratisch überhaupt zu bewältigen?

Schon jetzt gehört die Schweiz zu den teuersten Ländern in Europa, was Nahrungsmittel angeht. Laut Eurostat zahlen Schweizer etwa für Fleisch zweieinhalb Mal so viel wie der Durchschnitt der Länder innerhalb der Europäischen Union. Für Martin Schläpfer, Cheflobbyist von Migros, der größten Einzelhandelskette der Schweiz, ist die Initiative daher "gut gemeint aber kontraproduktiv".

Werden Lebensmittel in der Schweiz durch Fair Food teurer?

Ja, sagt Migros-Mann Schläpfer. So ehrlich sollten die Initiatoren schon sein, sagt er, "dass wer ausschließlich faire Produktion und ökologische Standards will, mehr zahlen muss". Schon heute führen zahlreiche Schweizer zum Einkaufen nach Deutschland oder Italien. "Dieser Preisunterschied zu den Nachbarländern darf nicht noch weiter wachsen."

Nein, sagt Graf. Sie sieht das Problem hingegen bei den Gewinnmargen mancher Importeure. "Weil sie billige Lebensmittel importieren, etwa Hühnchen aus Deutschland, die sie in der Schweiz für das Zehnfache verkaufen." Statt einer weiteren Verteuerung möchte Graf, dass diese Gewinne auch bei den Produzenten ankommen.

Könnten Produkte aus den Schweizer Supermärkten verschwinden?

"Nicht unbedingt", sagt Graf. Die Auswahl an fairen Lebensmitteln soll größer werden. Da die Schweiz flächenmäßig klein und topografisch gebirgig ist, wird sie auf fast 50 Prozent Importe angewiesen bleiben. Sie ist daher vergleichsweise Großimporteurin, und die Kaufkraft der Bevölkerung ist stark. Damit sei das Land trotz allem ein wichtiger Absatzmarkt, dessen Nachfrage nach fair produzierten Nahrungsmitteln relevant sei. "Der Markt richtet sich da sehr schnell aus und bringt dieses Angebot, denn mit mehr Qualität gewinnt schlussendlich die ganze Wertschöpfungskette ", ist sich Graf sicher.

Aber von heute auf morgen funktioniere das nicht, sagt Martin Schläpfer. Dafür müsse man gerade bei verarbeiteten Produkten ganze Lieferketten Schritt für Schritt prüfen. Das würden viele Produzenten nicht mitmachen.

Verstieße die Schweiz mit der Umsetzung gegen internationales Recht?

Auch außenpolitisch könnte ein Erfolg der Fair-Food-Initiative  die Schweiz vor Probleme stellen. EU- und WTO-Recht verbieten bestimmte Restriktionen auf Importe. Zwar kommt eine Studie der Universität Bern zu dem Schluss, dass eine vorsichtige Umsetzung der Initiative im Einklang mit internationalem Handelsrecht möglich wäre. Für Martin Schläpfer ist das eine "völlig verkorkste" Notlösung. "Die Schweiz hat eine gewisse Erfahrung, wie man solche Dinge dann vorsichtig umsetzt", sagt er, "wir haben ja auch die Masseneinwanderungsinitiative umgesetzt, aber nicht so, wie es im Text stand. Wir sollten nicht laufend Initiativen annehmen, die wir dann nicht konsequent umsetzen. Das untergräbt das Vertrauen in die direkte Demokratie."

Bis Sonntagmittag können Schweizer ihre Stimmen abgeben, die Ergebnisse werden Sonntagnachmittag erwartet.