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Ukraine: Geteiltes Gedenken

Foto: Brendan Hoffman/ Getty Images

"Tag des Sieges" in der Ukraine Die Feinde feiern ihre Helden

Russland bejubelt den Sieg über Nazi-Deutschland in patriotischer Einigkeit. Doch die Ukraine zeigt sich auch hier gespalten: In Slowjansk im Osten des Landes verneigen sie sich vor den Rotarmisten als Befreier vom Faschismus, im Westen würdigen sie ganz andere Helden.

Russland versinkt an diesem Freitag, dem "Tag des Sieges", in hurrapatriotischer Seligkeit: Stundenlang überträgt das Fernsehen, wie von Wladiwostok bis Moskau die Panzer über die zentralen Plätze der Großstädte rollen, Soldaten in Paradeuniform mit herausgereckter Brust marschieren und den wenigen verbliebenen und mit Orden behängten Veteranen salutieren. Der patriotische Höhepunkt ist die Parade auf der Krim, die Präsident Wladimir Putin am Nachmittag besucht.

Während Tausende Menschen auf den zentralen Plätzen der großen Städte die Paraden beklatschen, begehen viele Russen den Tag auch sehr privat, erinnern sich an die im Krieg gefallenen Großväter. Aber die Heiligkeit des 9. Mai ist unbestritten: Der Tag ist der große gemeinsame Nenner, auf den sich die Russen einigen können.

In der benachbarten Ukraine spaltet der "Tag des Sieges" dagegen das ohnehin in seiner Einheit bedrohte Land. Die Erinnerung an den "Großen Vaterländischen Krieg", wie er in Russland heißt, ist hier unterschiedlich. Denn Ukrainer kämpften im Zweiten Weltkrieg sowohl auf Seiten Deutschlands als auch der Sowjetunion.

Im Westen des Landes feiern die Menschen seit dem Ende der UdSSR ihre eigenen Helden: die Kämpfer der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN) und ihren Anführer Stepan Bandera. Der 1909 geborene Bandera paktierte mit Hitler in der Hoffnung, nach dem Sieg über die Sowjetunion einen unabhängigen ukrainischen Staat zu gründen. Zu Anfang des Krieges waren seine Einheiten an Massakern an der Zivilbevölkerung beteiligt. Bandera selbst wurde von den Nazis festgesetzt, nachdem er einen ukrainischen Staat ausgerufen hatte, und erst kurz vor Kriegsende aus der Haft entlassen.

"Die Erde von der faschistischen Giftschlange reinigen"

Im russisch geprägten Osten des Landes entspricht die Wahrnehmung des Krieges dagegen weitgehend der russischen: Die Soldaten der Roten Armee befreiten das sowjetische Volk und den größten Teil Europas von den Hitler-Faschisten.

Foto: SPIEGEL ONLINE

In Slowjansk marschieren deshalb an diesem Tag mit Maschinengewehren bewaffnete Kämpfer durch die Straßen und singen den russischen Patriotenschlager "Tag des Sieges". Am hiesigen "Ewigen Feuer", dem Denkmal für die Rote Armee, werden sie von Hunderten Slowjansker Bürgern als Helden bejubelt.

In ihrer Ansprache schlägt der Anführer der Gruppe den großen Bogen von 1945 zu 2014: "Wie unsere Großväter im Großen Vaterländischen Krieg gilt auch heute wieder: Wir müssen unsere Erde von der faschistischen Giftschlange reinigen", verspricht er. "Ruhm den Helden des Donbass", antworten die Menschen mit Sprechchören. Zwei uralte Weltkriegsveteranen der Roten Armee werden von den Menschen mit Blumen überhäuft.

Zum Symbol der Aufständischen im Osten ist ein orange und schwarz gestreiftes Bändchen geworden: Das Sankt-Georgs-Band ist seit einigen Jahren das von Moskau verbreitete Symbol für das Gedenken an den "Großen Vaterländischen Krieg."

Am Morgen wurden Premierminister Arsenij Jazenjuk und Übergangspräsident Alexander Turtschinow in Kiew ausgebuht, als sie dort das "Ewige Feuer" besuchen wollten.

Gleichzeitig gibt es jedoch Zeichen der Versöhnung: Auch im Westen begingen an diesem Tag vor allem ältere Menschen den "Tag des Sieges": In Lwiw, dem früheren Lemberg, besuchten sie den "Ruhmeshügel" im Osten der Stadt. Beschützt wurden sie dabei von Mitgliedern der hiesigen Selbstverteidigungseinheiten. Die hatten sich während der Maidan-Revolution gebildet.

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