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EU und Trump Juncker mahnt USA zur Zusammenarbeit

Brüssel reagiert nervös auf Donald Trump. EU-Kommissionschef Juncker appelliert im SPIEGEL an den neuen US-Präsidenten: Nur vereint könne man die großen Probleme angehen.
EU-Kommissionschef Juncker

EU-Kommissionschef Juncker

Foto: Jean-Francois Badias/ AP

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat den neuen US-Präsidenten Donald Trump aufgefordert, den Schulterschluss mit der Europäischen Union in internationalen Fragen nicht aufzukündigen. "Es gilt, Klimawandel wie Migration gemeinsam anzupacken, Terrorismus mit vereinten Kräften zu bekämpfen sowie die Globalisierung und ihre sozialen Folgen gemeinsam zu meistern", sagte Juncker dem SPIEGEL. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)

Bis Trump den Vorteil der transatlantischen Zusammenarbeit erkenne, wird nach Ansicht von Juncker allerdings noch einige Zeit vergehen. Er erwarte, "dass es einige Monate dauern wird, bis der neue amerikanische Präsident die Fülle europäischer Feinheiten entdeckt haben wird", so Juncker.

Trump hatte im Interview mit "Bild" und "Times" nicht nur die Nato als "obsolet" beschrieben, sondern auch gesagt, er glaube an ein Zerbrechen der EU. "Wenn Sie mich fragen, es werden weitere Länder austreten", sagte Trump. Seine Äußerungen sandten Schockwellen über den Atlantik und trafen eine EU, die in den Tagen vor den anstehenden Brexit-Verhandlungen ohnehin auf Sinnsuche ist.

Donald Trump

Donald Trump

Foto: Evan Vucci/ AP


Entsprechend deutlich sind die Reaktionen in Brüssel und Straßburg auch von führenden Europapolitikern - vor allem, wenn sie sich anders als der Kommissionschef nicht in diplomatischer Zurückhaltung üben müssen. "Trump hat zu lange Kaffee mit Nigel Farage getrunken", sagt der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff. Farage, der EU-Gegner und ehemalige Anführer der Brexit-Partei UKIP, hatte Trump schon im Wahlkampf begleitet. Jetzt hat sich der US-Präsident den Farage-Sound offenbar zu eigen gemacht.

"Er ist Sohn eines Baulöwen, er ändert sich nicht"

EU-Kommissar Günther Oettinger glaubt nicht, dass sich Trump von dem Apparat aus professionellen Diplomaten und Militärs domestizieren lässt, die ihn künftig auf Schritt und Tritt umgeben werden. "Wer als Sohn eines Baulöwen geboren ist und in der Immobilienwelt von Manhattan reich wird, den ändert man nicht mehr", sagt Oettinger dem SPIEGEL. "Baulöwen denken an Deals, sonst interessiert sie nichts."

Oettinger war in diesen Tagen in Davos unterwegs, beim Treffen der globalen Wirtschaftselite im Schweizer Skiort verfolgte er nach eigenen Angaben ungläubig, wie sich ausgerechnet Chinas Präsident Xi Jinping zum Hüter eigentlich urwestlicher Werte aufschwingt und dem freien Handel das Wort redet. "Das ist eine verkehrte Welt", so Oettinger.

Erinnerungen an die Berliner Mauer

Außenpolitik-Veteran Elmar Brok von der CDU erinnert an die Begegnung von Kremlherrscher Nikita Chruschtschow mit dem damals ebenfalls neu und unerfahren ins Amt gekommenen US-Präsidenten John F. Kennedy 1961 in Wien. "Chruschtschow dachte, Kennedy sei schwach. Die Folge war der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise." Wie damals könnte es jetzt gefährliche Folgen haben, wenn Novize Trump allzu unbeholfen in die Welt der Diplomatie torkele, fürchtet Brok. "Trumps Botschaften in Sachen Nato könnten dazu führen, dass Putin sich sagt; Lasst es uns versuchen", warnt er.

SPD-Kollege Arne Lietz vergleicht Trump gar mit Russlands Präsident Wladimir Putin: "Putin untergräbt die EU in aller Heimlichkeit, Trump macht es per Twitter."

Neues Selbstbewusstsein der Briten

Ein weiteres Thema, das viele Politiker in Brüssel umtreibt: Trump und der Brexit. Denn bei den anstehenden Brexit-Verhandlungen sorge die Wahl Trumps für neues Selbstbewusstsein der Briten, beobachten EU-Politiker. "Die Verhandlungsposition der Briten wird durch Trump gestärkt", sagt der CSU-Wirtschaftspolitiker Markus Ferber.

"Wäre Clinton Präsidentin geworden, wäre es bestenfalls zu einem 'soft Brexit' gekommen", einem weichen Brexit also, ist sich auch Jo Leinen sicher, SPD-Außenpolitiker im Europaparlament. Leinen, eigentlich ein zurückhaltender Mann, schlägt in einem Schreiben an die sogenannte Spinelli-Gruppe, eine Gruppe prominenter integrationsfreudiger Europaparlamentarier, Alarm. "Trump stellt nicht nur die gesamte westliche Verteidigungsarchitektur in Frage, sondern verkennt auch vollkommen den Wert der europäischen Einigung für Europa und die Welt", schreibt Leinen darin.

"Die Mitgliedstaaten der EU müssen zusammenrücken und Donald Trump im Schulterschluss die Stirn bieten, andernfalls drohen sie zwischen einem expansionistischen Russland und unberechenbaren Vereinigten Staaten zerrieben zu werden", heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt.

Bislang ist es nur eine Hoffnung.