Vatikan:Wie Papst Franziskus die Kirche in Aufruhr versetzt

Vatikan: Papst Franziskus bei der Generalaudienz in der Karwoche.

Papst Franziskus bei der Generalaudienz in der Karwoche.

(Foto: AFP)

Wird er als Erneuerer des Glaubens in die Geschichte eingehen - oder scheitert sein Projekt krachend? Darüber gehen die Meinungen im Vatikan auseinander.

Von Matthias Drobinski und Oliver Meiler

Man kann die Geschichte von Judas, dem Verräter, auch mal andersherum sehen: Ohne ihn hätte Jesus die Welt nicht erlösen können; der Verrat ist einer der Motoren der Geschichte. Im Vatikan allerdings gilt für Verräter, was über Judas in der Bibel steht: "Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre."

Den Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi wird gerade ein skurriler Prozess gemacht, weil sie Dokumente aus dem Vatikan veröffentlicht haben, die Missmanagement und Korruption enthüllen - auch auf den Wunsch von Papst Franziskus hin, der zwar Korruption nicht mag, aber anscheinend auch nicht, wenn Journalisten ihren Job machen.

Das hat Folgen für alle Journalisten, die im Vatikan und über den Vatikan berichten. Man kann sich in Rom mit klugen Menschen verabreden, man kann mit ihnen offen diskutieren. Man kann dort Menschen treffen, die ihre katholische Kirche lieben und ihre Arbeit - und doch viele Dinge kritisch sehen. Aber am Ende dieser Treffen sagen fast alle: Bitte keine Namen nennen.

Es ist ein rätselhafter Papst, dieser Jorge Mario Bergoglio, der Jesuit aus Buenos Aires, der seit drei Jahren Papst ist. Er kam, als diese Kirche in der Krise steckte. Er nennt sich wie kein Papst vor ihm: Franziskus, nach dem Patron der Armen. Er wohnt seit drei Jahren im Gästehaus des Vatikans, trägt abgetretene Schuhe und fährt im Fiat oder im Ford Focus durch Rom.

An diesem Gründonnerstag hat er Flüchtlingen die Füße gewaschen, auch Frauen und Muslimen - er hat eigens das Kirchenrecht dafür geändert. Er predigt gegen das Kapital und für die Rettung der Umwelt. Seit Franziskus regiert, ist die größte Institution der Welt in Aufruhr: Viele Katholiken erhoffen sich von ihm eine erneuerte Kirche.

Doch auch der Widerstand formiert sich: Darf ein Papst sich einfach über alle Tradition hinwegsetzen - und reden wie der Stadtpfarrer von Buenos Aires? Vor allem in der Kurie scheint Franziskus umzingelt von seinen Gegnern. Und die Frage ist offen, ob Franziskus als Erneuerer des Glaubens in die Kirchengeschichte eingehen wird - oder ob sein Projekt krachend scheitert.

Eine Woche lang waren wir rund um den Petersdom unterwegs, haben mit Prälaten gesprochen, die anonym bleiben wollten, mit Kennern und Kritikern des Mannes aus dem fernen Argentinien, über den auch jene immer wieder staunen, die glauben, ihn zu kennen. Und wir haben den Chef der Schweizergarde getroffen, den obersten Bodyguard des Papstes, und der hat offen über seinen schwierigen Job geredet. Und wir waren in der Casa Santa Marta, wo der Papst seit drei Jahren wohnt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: