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Mesut Özil: Der Kanonier

Foto: Christian Charisius/ dpa

Football Leaks zu Özils Steuertricks "Das sieht richtig übel aus"

Der 23. Juli 2014 schien ein perfekter Tag im Leben Mesut Özils zu sein. Zehn Tage zuvor war der deutsche Nationalspieler Weltmeister in Brasilien geworden, nun hatte er den Wahnsinn hinter sich gelassen, den der WM-Titel mit sich bringt: endlich Urlaub in Las Vegas. "Ich genieße meine Ferien", schrieb Özil seinen Millionen Followern auf Twitter und stellte ein Selfie ins Netz, auf dem er aussah, als sei die Nacht ziemlich kurz gewesen.

Der "Bild am Sonntag" war Özils Trip in die USA mehrere Paparazzi-Fotos wert, die den Star beim Turteln mit seiner Lebensgefährtin Mandy Capristo zeigten. Auf einem der Fotos aus dem Poolbereich eines Luxushotels und dem Privatbereich einer Fußballerliebe tragen beide ähnliche Strähnchen im Haar. "Ganz offensichtlich handelt es sich um Glückssträhnen", berichtete das Blatt. Was Sonnyboy Özil damals nicht ahnte: In jenen Sommertagen vor mehr als zwei Jahren, als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen war, ging gerade eine Glückssträhne zu Ende. Er geriet ins Visier des spanischen Fiskus. Die Steuerbehörde interessierte sich für seine persönlichen Einkünfte der Jahre 2011 bis 2013 - in dieser Zeit hatte Özil für Real Madrid gespielt.

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Mesut Özil: Der Kanonier

Foto: Christian Charisius/ dpa

Mehr als anderthalb Jahre lang versuchten seine Anwälte und Steuerberater in Madrid und Mülheim an der Ruhr, die hartnäckigen Nachforschungen der Agencia Tributaria aus Madrid ins Leere laufen zu lassen und deren Ansprüche zu entkräften. Anfang dieses Jahres verdonnerte der spanische Fiskus den deutschen Nationalspieler zu einer Nachzahlung und einem Strafzuschlag in Millionenhöhe. Özil hat Widerspruch eingelegt. Es hätte noch schlimmer für ihn ausgehen können. Und genau so lesen sich interne Mails seiner Steuerberater auch: nur gut, dass ihr Mandant gerade noch an einem Strafverfahren vorbeigekommen sei. Was die Finanzbehörden in ihren Bescheiden schreiben, liest sich in Teilen wie eine Abrechnung mit einem Steuerpflichtigen, der sie für dumm verkaufen wollte.

Laut den Unterlagen hatte Özil weder für das Jahr 2012 noch für das Jahr 2013 Belege für seine Einkommensteuererklärung in Madrid eingereicht. "Der Steuerpflichtige wusste um seine Steuerpflicht, zumindest sollte er um sie wissen", heißt es in einem Dokument. "Es handelt sich um eine grundlegende Verpflichtung, die jeder Steuerzahler kennt, selbst derjenige mit nur elementarem fiskalischen Wissen." An anderer Stelle ist von einem "schwerwiegenden Verstoß" die Rede. Und von "Verschleierung".

Mit seinem Wechsel von Werder Bremen zu Real Madrid im Sommer 2010 katapultierte sich Mesut Özil in die Liga der bestbezahlten Fußballer Europas. In dem Sechsjahresvertrag, den der deutsche Nationalspieler am 18. August 2010 unterschrieb, garantierte ihm der Klub ein Bruttogehalt von 8..771.930 Euro jährlich.

Auch für Özils damaligen Berater Reza Fazeli war der Transfer ein blendendes Geschäft. Das geht aus einer Vereinbarung hervor, die Fazeli ebenfalls am 18. August 2010 mit Real Madrid schloss und die dem SPIEGEL wie alle anderen Dokumente der Steuerakte Özil von der Enthüllungsplattform Football Leaks zugespielt wurde.

Demnach zahlte der Verein dem Agenten spätestens zum 5. September 2010 ein Vermittlungshonorar von 1,5 Millionen Euro. Außerdem verpflichtete sich Real, Fazeli von September 2011 an für die folgenden fünf Vertragsjahre je 600.000 Euro zu überweisen - machte tutto incluso 4,5 Millionen Euro für ein paar Verhandlungsgespräche und ein paar Unterschriften.

Für Özil kam es noch besser.

Im Spätsommer 2013 verpflichtete ihn der FC Arsenal, am 2. September unterzeichnete Özil mehrere Verträge mit dem Premier-League-Klub. Im "Anhang 2" seines Fünfjahresvertrags geht es ums Geld.

Özil 2014 in London

Özil 2014 in London

Foto: Bullspress / Essential Pictures

Mesut Özil kassiert in London bis zum 30. Juni 2018 ein jährliches Bruttogrundgehalt in Höhe von 10,2 Millionen Euro. Für jede Saison, in der Arsenal sich für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert, erhält der deutsche Nationalspieler eine zusätzliche Prämie in Höhe von 1,8 Millionen Euro brutto. Außerdem garantierte Arsenal seinem prominenten Neuzugang bei Unterschrift ein Handgeld in Höhe von 6 Millionen Euro brutto, zahlbar in fünf Tranchen zu jeweils 1,2 Millionen im Jahr.

Das war noch nicht genug.

In einer Zusatzvereinbarung verpflichtete sich Arsenal, dass Özil auf ein "garantiertes Minimum" von 8.077.000 Euro netto jährlich kommen werde - das war in etwa so viel, wie der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn im Jahr 2013 nach Abzug von Steuern bekam, damals der bestbezahlte Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns. Um diese Summe zu erreichen, schloss der FC Arsenal noch einen Vertrag mit einem Unternehmen in Düsseldorf ab, dem die Persönlichkeitsrechte des Fußballprofis gehören. Der Name der Firma: Özil Marketing GmbH.

Der Deal lief so: Arsenal zahlt bis Juni 2018 jährlich weitere 1.476.095 Euro auf ein Konto der Özil Marketing bei der Deutschen Bank in Düsseldorf. Im Gegenzug durfte der Klub von Vertragsbeginn an mit seinem neuen Star werben.

Die Özil Marketing GmbH mit Sitz in der Düsseldorfer Königsallee wurde am 18. September 2008 gegründet. Der Jungprofi übertrug damals, vor seinem Wechsel vom FC Schalke 04 nach Bremen, dem Unternehmen sämtliche Rechte an seiner weltweiten Vermarktung. Wer mit ihm werben will, muss seitdem mit der Özil Marketing ins Geschäft kommen.

Der Sportartikelkonzern Nike etwa zahlte Özils Firma 2011 und 2012 jeweils 300.000 Euro.

Das ist Münzgeld, gemessen daran, was Nike-Konkurrent Adidas der Özil Marketing seit fast vier Jahren überweist.

Im Jahr 2013 schloss die Adidas International Marketing B. V. mit Sitz in Amsterdam einen Vertrag mit der Özil-Firma, der bis Ende Juni 2020 laufen soll. Dieser Deal, der den Jungen aus Gelsenkirchen-Bismarck zu einer globalen Ikone für den Drei-Streifen-Konzern machte, kann ihm um die 16 Millionen Euro einbringen. Die 75.000 Euro, die Adidas für den Gewinn des WM-Titels 2014 in Brasilien drauflegte, waren da nur noch ein Schmankerl.

All diese Millionen, die Mesut Özil in den Jahren zwischen 2011 und 2013 bewegte und die durch ihn bewegt wurden, waren den spanischen Finanzbehörden bis Mitte 2014 offenbar unbekannt. In Özils Steuererklärungen fehlten wohl hinreichende Informationen, Erläuterungen, Belege. Deshalb forderte die Agencia Tributaria den Fußballstar auf, am 5. September 2014 zu einer Anhörung in den Räumen der Behörde zu erscheinen. Der Grund: eine Steuerprüfung.

Özil kam nicht. Seine spanischen Steuerberater kamen auch nicht. Sie antworteten fünf Tage nach dem Termin in einer Mail, in der sie die Inspektorin duzten. Doch diese Frau, das geht aus der Korrespondenz der folgenden Monate hervor, wurde für die Özil-Seite zu einer echten Gegnerin.

Bis Ende September wollte sie alles auf dem Tisch haben: Özils Verträge mit Real Madrid und Arsenal. Die dazugehörenden Anhänge und Nebenabreden. Alle Vereinbarungen zu seinen Persönlichkeitsrechten. Einnahmen aus Immobilienbesitz. Angaben zu seinem weltweiten Vermögen. Lückenlose Auskünfte über alle Bankkonten und Kapitalerträge.

Mesut Özil hatte zwei Steuerkanzleien eingeschaltet. Eine sitzt in Mülheim an der Ruhr. Die andere in Madrid. Sie vertritt auf der Iberischen Halbinsel zahlreiche Klienten aus der Unterhaltungsindustrie und dem Sportbusiness, darunter auch viele Spieler von Real Madrid. Ihr Name: Senn Ferrero. Die Spanier hielten den Kontakt zu den Behörden, die Deutschen sollten die angeforderten Dokumente und Auskünfte bereitstellen und übersetzen lassen.

Das Zusammenspiel verlief offenbar reichlich chaotisch. Am 30. September 2014 traf ein Senn-Ferrero-Mitarbeiter die zuständige Finanzbeamtin zu einer ersten Anhörung. Die umfangreiche Dokumentation, von der Inspektorin seit Wochen angefordert, konnte er nicht liefern - die deutschen Kollegen hatten sie nicht geschickt, nicht einmal Özils Arbeitsvertrag mit Real Madrid. "Bitte haltet euch vor Augen, dass es mit harten Strafen für MO enden wird, wenn wir die Dokumente nicht bereitstellen", schrieb der Senn-Ferrero-Mann tags darauf der Kanzlei in Mülheim. Sollte man die Geduld der spanischen Steuerbehörden überstrapazieren, könnten sie "eine wesentlich aggressivere Haltung in dem Verfahren einnehmen, es sogar in ein Strafverfahren umwandeln".

In einer Mail an einen Firmenchef von Senn Ferrero wurde der Mitarbeiter noch deutlicher: "Das sieht richtig übel aus. Die Inspektorin wunderte sich über unsere dürre Dokumentation. Das Büro in Deutschland ist sehr langsam, und ich habe den Eindruck, sie sind total ahnungslos in steuerlichen Fragen."

Einen guten Monat später eine ähnliche Situation: Der Senn-Ferrero-Mann stand vor seinem dritten Treffen mit der Steuerprüferin, und wieder hatten die Kollegen in Deutschland offenbar geschlampt. "Besorgniserregend ist das mit diesen Leuten", mailte er an seinen Chef, "sie schicken eine schlechte und unvollständige Übersetzung der Verträge. Am 20. November werden wir vor der Inspektorin ein jämmerliches Bild abgeben."

Es dauerte etwa ein Jahr, bis sich herausstellte, an welchen Zahlungen und Überweisungen die Finanzbehörden sich festgebissen hatten. Ein zentraler Punkt für sie waren die Honorare von jeweils 600.000 Euro, die Özils damaliger Berater Reza Fazeli für die Jahre 2011 und 2012 von Real Madrid erhalten hatte. Nach Ansicht der Steuerbehörde hätte Özil seinen Agenten für den Wechsel von Werder Bremen zu Real Madrid entlohnen müssen - und nicht der Klub.

Also verlangte der spanische Fiskus von Özil nachträglich die Einkommensteuer auf diesen Betrag. Schließlich habe Berater Fazeli Özils Arbeitsvertrag mit Real auch auf der Seite des Spielers unterzeichnet. Zudem habe Fazeli jahrelang Prokura bei der Özil Marketing GmbH gehabt. Wenn trotzdem Real den Berater bezahlt habe, dann sei das ein Einkommensvorteil für Özil - und von diesem zu versteuern.

Mit derselben Begründung rechneten die spanischen Finanzbeamten Özil auch die Honorarzahlung als steuerpflichtiges Einkommen zu, die sein späterer Berater Erkut Sögüt nach dem Transfer zum FC Arsenal im September 2013 als erste Tranche erhalten sollte: 1,47 Millionen Euro. Diesmal kam das Geld für den Berater von dem Londoner Klub. "Wir haben schlechte Nachrichten", schrieben Özils Steuerberater von Senn Ferrero ihren Kollegen in Deutschland, nachdem die zuständige Steuerinspektorin im März 2015 weitere Unterlagen zu Özils Arsenal-Wechsel angefordert hatte.

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Mesut Özil: Der Kanonier

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Um Özils Einkünfte aus dem Jahr 2013 vor dem Zugriff der spanischen Steuerbehörden in Sicherheit zu bringen, brüteten die Senn-Ferrero-Experten und eine Kanzlei in London über einen Ausweg. Sie argumentierten, der Fußballprofi sei nach seinem Umzug nach England im September 2013 auch dort steuerpflichtig - auf der Insel beginnt ein Steuerjahr immer am 6. April. Ein 26 Seiten umfassender Mietvertrag sollte diese These stützen. Demnach hatte Özil sich im Norden Londons nach seinem Wechsel zu Arsenal für zwei Jahre eine Villa gemietet, für die er 9000 Pfund in der Woche bezahlte.

Die spanischen Finanzbehörden blieben eisern. Özil war nicht im April, Mai oder Juni, sondern erst Anfang September 2013 von Madrid nach London umgezogen und hatte mehr als die Hälfte des Jahres in Spanien verbracht. Also müsse er seine Einkünfte für das Jahr 2013 auch in Spanien versteuern.

Besonders hartnäckig bohrten die Finanzbeamten an der Özil Marketing GmbH, dort, wo Özils Werbeerlöse landeten. Hinter Firmen, die Persönlichkeitsrechte von Fußballstars vermarkten, verbergen sich häufig Holdings, die ihre Adresse in Steueroasen haben.

Hinter der Özil Marketing GmbH steckt keine Schattenfirma. Die Agentur hat ihren Sitz in der Düsseldorfer Königsallee, alleiniger Gesellschafter ist Mesut Özil selbst, Geschäftsführer seit Oktober 2013 sein Bruder Mutlu. Zuvor hatte Özils Vater Mustafa das Unternehmen geführt.

Dass die Steuerbehörden in Madrid Anteile der sprudelnden Einnahmen aus der Özil Marketing GmbH bis zum Jahr 2013 für die spanische Staatskasse beanspruchten, lag auf der Hand. Doch Özils spanische Steuerberater wehrten diese Forderung erfolgreich ab. Dazu präsentierten sie das Dokument eines Düsseldorfer Notars, das es in sich hat - einen millionenschweren außergerichtlichen Vergleich zwischen Mesut Özil und seinem Vater.

Özils Vater Mustafa

Özils Vater Mustafa

Foto: picture alliance / Cordon Press

Mustafa Özil, 49, war seit Gründung der Firma im September 2008 Geschäftsführer der Özil Marketing gewesen, er hatte die Karriere seines Sohnes von Beginn an eng begleitet. Der Vater genoss das Rampenlicht, sein Dienstwagen war ein Ferrari, zu Geschäftsterminen verabredete er sich im Luxushotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf, wo ein Liter stilles Wasser 11,50 Euro kostet. Bei komplizierteren Vorgängen überließ Daddy Özil die Arbeit lieber anderen und schaltete teure Juristen ein. So liefen der Firma allmählich die Kosten aus dem Ruder: Im Jahr 2012 musste die Özil Marketing für Anwalts- und Beratungskosten 227.459,69 Euro zahlen, im Jahr 2013 waren es sogar 251.497,96 Euro.

Im Oktober 2013 kam es zwischen Vater und Sohn, für die Öffentlichkeit eher überraschend, zum Zerwürfnis: Mesut entmachtete seinen Vater als Geschäftsführer, stattdessen setzte er im Oktober 2013 seinen Bruder Mutlu auf dem Posten ein. Wenige Wochen später erhielt Mustafa Özil gar die fristlose Kündigung. Gegen diesen Rauswurf reichte der Vater vor dem Düsseldorfer Landgericht Zivilklage ein.

Er reklamierte eine "Provisionsleistung aufgrund einer variablen Vergütungsabrede" für sich, sprich: eine satte Beteiligung an den Sponsorenverträgen, die er als Geschäftsführer für seinen Sohn abgeschlossen hatte. Im Gegenzug forderte Mesut von seinem Vater ein privates Darlehen in Höhe von 915.000 Euro zurück, zudem entzog er ihm den Fahrzeugbrief für dessen Dienstwagen, einen Ferrari F458.

Der Streit drohte sich zu einer Schlammschlacht auszuweiten, beide Seiten überzogen sich mit Strafanzeigen. Doch ehe es am 19. November 2014 in Düsseldorf zu einem Prozess im Familienkrach der Özils kam, einigten sich die Streithähne Anfang Oktober auf eine außergerichtliche Lösung.

Dieser Geheimvertrag, sieben Seiten lang und geschlossen vor einem Notar in Düsseldorf, ist brisant. Die Zeitungen schrieben damals, Mustafa Özil habe die Firma seines Sohnes auf ausstehende Provisionen aus Ausrüster- und Werbeverträgen in Höhe von 630.000 Euro verklagt.

630.000? Lächerlich.

Tatsächlich verpflichtete die Özil Marketing GmbH sich, dem geschassten Mustafa Özil eine Abfindung in Höhe von 8,1 Millionen Euro zu überweisen, zahlbar in zwei Tranchen innerhalb eines halben Jahres bis zum 31. März 2015. Außerdem bekam Vater Özil den Ferrari zurück.

Ein seltsamer Vergleich. Warum gestand Özil seinem Vater plötzlich eine Entschädigung zu, die etwa die Hälfte seiner bis 2020 zu erwartenden Einnahmen aus dem Millionenvertrag mit Adidas auffraß? Warum distanzierte sich der Notar ausdrücklich von der 8,1-Millionen-Einigung, indem er festhielt, er kenne den Inhalt der gerichtsanhängigen Klagen und Gegenklagen nicht, also wohl auch nicht die Summe, die Vater Özil ursprünglich für sich reklamiert hatte? Weder Mesut Özil noch sein Bruder Mutlu als Geschäftsführer der Özil Marketing GmbH noch sein Vater äußern sich zu diesen Fragen.

Tatsächlich half dieser rätselhafte Deal dem Nationalspieler bei seiner Steuerprüfung in Madrid, die zum Zeitpunkt der 8,1-Millionen-Einigung mit seinem Vater bereits seit mehr als zwei Monaten lief. So jedenfalls beschreibt es ein leitender Senn-Ferrero-Mitarbeiter in einer Mail. Demnach ließ die spanische Finanzbehörde von weiteren Nachforschungen bei der Özil Marketing GmbH ab, nachdem sie Kenntnis von der Millionenentschädigung für Özils Vater erhalten hatte. Diese Abfindung, das geht aus der internen Mail hervor, sei vom Fiskus als "abzugsfähige Ausgabe" anerkannt.

Bei anderen Punkten zeigte sich die Agencia Tributaria ungnädiger - vor allem bei den Zahlungen Real Madrids in Höhe von 1,2 Millionen Euro an Özils damaligen Berater Fazeli und bei dem 1,47-Millionen-Euro-Honorar des FC Arsenal an seinen neuen Berater Erkut Sögüt. Die stuften sie als geldwerte Leistung für den deutschen Nationalspieler ein. Özils spanische Steuerberater verfassten zwar eine Erwiderung an die Finanzbehörden, in der sie die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung anzweifelten. Andererseits war ihnen bewusst, dass ihr Mandant wohl glimpflich davonkommen würde.

Darum geht es bei Football Leaks

Die Enthüllungsplattform Football Leaks sammelt vertrauliche Daten und E-Mails zu den Geldflüssen im Fußball. So deckt sie illegale Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbeizuschmuggeln dank Offshore-Geschäften. Football Leaks schweigt zu seinen Quellen, hat die Dokumente allerdings dem SPIEGEL und anderen Medien im Verbund der European Investigative Collaboration zur Verfügung gestellt. Mit einem Umfang von 1,9 Terabyte handelt es sich um den bisher größten Datensatz im Sport.

"Wir haben erfolgreich verhindert, dass aus dem Steuerverfahren ein Strafverfahren wurde", brüstete sich ein Senn-Ferrero-Mitarbeiter in einer Mail an Özils deutsche Kanzlei in Mülheim. Als Anhang schickte er zwei Artikel aus der spanischen Tageszeitung "El País" mit, in denen es um die Steuerprobleme des argentinischen Nationalspielers Javier Mascherano vom FC Barcelona ging. "Mascherano wird wegen seiner Steuervergehen möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden", schrieb der Senn-Ferrero-Mann nach Deutschland, "und dies wegen Summen, die wesentlich niedriger liegen als die bei MO".

Mesut Özils Vater Mustafa reagierte auf Nachfragen zu dem Sachverhalt nicht. Ein Medienanwalt, der Mesut Özil und dessen Firma Özil Marketing GmbH vertritt, drohte unter Hinweis auch auf das Steuergeheimnis mit Strafanzeige, sollte der SPIEGEL auf Basis "vermeintlicher Informationen" berichten, die "durch einen Hackerangriff auf die spanische Steuerkanzlei Senn Ferrero im April 2016 erlangt wurden" und Sachverhalte falsch wiedergäben.

Der Anwalt betonte, es gebe gegen Mesut Özil kein Ermittlungs- oder Strafverfahren in Spanien, sondern lediglich ein von Özil selbst betriebenes Zivilverfahren. Seine Steueranwälte in Madrid und Mülheim wollten sich weder zum Inhalt des Steuerverfahrens noch zum weiteren Verlauf äußern.

Am 5. Februar 2016 ging bei Senn Ferrero ein Bescheid ein, wonach Mesut Özil Einkommensteuern in Höhe von 2.017.152,18 Euro inklusive Verzugszinsen nachzahlen muss. Am 7. März verschickten die Inspektoren erneut Post an Özils spanische Steuerkanzlei, diesmal einen Bescheid, in dem sie die Höhe des Strafzuschlags festgesetzt hatten: 789.963,36 Euro.

Özil hat die Steuernachzahlung von knapp über zwei Millionen Euro im März zunächst beglichen. Die Strafzahlung wurde ausgesetzt, weil Özil Widerspruch gegen die Nachzahlung eingelegt hatte.

Das SPIEGEL-Team zu den Football Leaks

Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger